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Cyboria - Die geheime Stadt

Cyboria - Die geheime Stadt

Titel: Cyboria - Die geheime Stadt
Autoren: P. D. Baccalario
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Augenblick lang überlegte er, ob er es auf den Boden werfen sollte, um zu sehen, was passierte, dann jedoch begann er es zu drehen, wie einen rubikschen Zauberwürfel, und stellte fest, dass sich die Flächen tatsächlich in unterschiedliche Positionen bringen ließen.
    Klack, klack, klack machte das Polyeder, als Otto vor und zurück, nach links und nach rechts drehte: Aber am Aussehen des Ikosaeders änderte sich nichts. Er drehte, zog und drückte, auf der Suche nach einer Inspiration, aber so sehr er sich auch bemühte, er hatte nicht das Gefühl, irgendwelche Fortschritte zu machen. Er versuchte gegen die in ihm hochkochende Frustration anzukämpfen. Wie sollte ein Dreizehnjähriger in der achten Klasse des Gymnasiums dieses Rätsel lösen, wenn selbst ein Genie wie sein Großvater daran gescheitert war?
    Denk nach, Otto, denk nach.
    Im Unterschied zum rubikschen Zauberwürfel war das Ikosaeder einfarbig, deshalb musste man eine andere Strategie wählen … Irgendeine mathematische Sequenz der auf den Dreiecksflächen eingravierten Zahlen. Aber welche? Nach stundenlangen Versuchen war Otto immer noch am Ausgangspunkt: Er war so in Gedanken versunken, dass er die Schritte auf dem Korridor nicht gehört hatte und erschreckt zusammenzuckte, als an der Tür geklopft wurde.
    »Otto, alles in Ordnung?«
    Es war sein Vater. Otto öffnete die Tür, und Sisifo streckte den Kopf herein. »Hast du dich immer noch hier vergraben?«, fragte er.
    »Ich bin beschäftigt«, wich der Junge aus. Er nahm das Vieleck und reichte es seinem Vater. »Das war in der Schachtel.«
    »Was ist das?« Sisifo drehte das Polyeder hin und her, um Anfang und Ende zu finden.
    »Ich habe keine Ahnung. Hast du das schon mal gesehen?«
    Sein Vater gab es ihm zurück, ohne weitere Fragen zu stellen, aber etwas in seinen Augen verriet Otto, dass er verärgert war. Vielleicht störte ihn gerade die Tatsache, dass er es noch nie gesehen hatte.
    »Abendessen ist fertig«, sagte er, »wir essen draußen, ist das in Ordnung für dich?«
    Erst jetzt bemerkte Otto, wie ihm der Magen knurrte. Er legte das Ikosaeder auf den Schreibtisch und eilte mit seinem Vater die Treppe hinunter.
    Das Abendessen verlief harmonisch.
    Die weiße Tischdecke wurde von einer sanften Brise leicht bewegt, und aus dem nahen Wald drang das beruhigende Rascheln der Blätter. Otto hielt dem Trommelfeuer der Fragen seiner Eltern stand. Um nicht noch mehr Neugier zu wecken, widerstand er der Versuchung, sofort wieder in sein Zimmer zu gehen, um seine Experimente fortzusetzen, und half beim Abräumen. Als er wieder ins Haus ging, spürte er einen dumpfen Widerhall in seiner Brust, als würde jemand nach ihm rufen. »Ich gehe in die Bibliothek«, sagte er, nachdem er die Teller in die Spüle gestellt hatte.
    Und das tat er auch.
    Er knipste die in den Bücherregalen verborgenen Strahler an und sah sich aufmerksam im Raum um. Zuerst ging er zu der Wand, wo der gerahmte Stammbaum seiner Familie hing. Ein Bild, das ihm bis vor wenigen Tagen noch völlig uninteressant vorgekommen war.

    Das waren also seine Vorfahren, das Todesjahr seines Großvaters fehlte noch. Der Urahn der Familie war Atamante, von dem auch irgendwo ein Porträt in der Bibliothek hängen musste. Er war ein brillanter Kopf und ein genialer Mathematiker gewesen.
    Wie der Großvater.
    Wie Otto.
    Es wird immer eine Generation übersprungen , dachte er und ballte die Faust.
    Soweit er sich noch an die Familiengeschichte erinnerte, hatte Atamante ein Buch mit dem Titel »Algorithmen und Magengrimmen« geschrieben, das jahrelang in höheren Schulen mit mathematischem Schwerpunkt eingesetzt wurde. Er hatte auch das Patent für einen »Drehbolzen« erhalten, ein kleines gerändeltes Teil, das in der Mechanik von Präzisionsuhren Verwendung fand. Und sonst? Was wusste er noch von ihm?
    Atamante hatte die Villa Folgore gekauft, und als sein Enkel Primo einundzwanzig Jahre alt war, hatte er ihm die rätselhafte Schachtel mit dem Ikosaeder geschenkt. Sein Ururgroßvater war mit ausgesprochen interessanten Menschen befreundet gewesen, wie zum Beispiel dem Künstler, von dem das über dem Kamin hängende Gemälde stammte.
    Otto drehte sich um und betrachtete es genauer. Es war ein abstraktes Bild, ein chaotischer Haufen von geometrischen Figuren, die genauso gut eine Stadt wie einen in Einzelteile zerlegten Motor darstellen konnten. Getriebe, Riemenscheiben und andere Teile kreuzten sich ohne den geringsten logischen Zusammenhang.
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