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Cyboria - Die geheime Stadt

Cyboria - Die geheime Stadt

Titel: Cyboria - Die geheime Stadt
Autoren: P. D. Baccalario
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Olivetti aus dem Jahre 1978, die einzige Schreibmaschine, die sein Großvater je benutzt hatte und die jetzt neben ihnen auf dem Schreibtisch stand.
    Ranieri räusperte sich. Dann holte er tief Atem und begann mit respektvoller Stimme den letzten Willen von Primo Folgore Perotti vorzulesen.
    »Meine lieben Kinder … Wenn ihr diese Worte aus dem Mund von Avvocato Ranieri hört, dann bedeutet das, dass ich nicht mehr unter euch weile.«
    Sisifo lächelte in sich hinein und kaute an den Fingernägeln. Carlotta saß auf der äußersten Kante ihres Stuhles und beugte sich mit vor der Brust verschränkten Armen nach vorne.
    »Verlieren wir also keine Zeit. Du, meine liebe Carlotta, solltest endlich mal damit aufhören, so verkrampft auf der Stuhlkante zu sitzen, früher oder später wirst du den Bezug ruiniert haben.«
    Carlotta zuckte zusammen: »Aber wie …?«
    »Was dich betrifft, mein lieber Sohn, spucke doch bitte die Nagelhaut aus, auf der du mit Sicherheit herumkaust. Entspanne dich, es gibt keine Überraschungen, ihr beide seid meine Universalerben, ihr erbt alle meine Besitztümer, inklusive der Villa Folgore.«
    Auch Sisifo zuckte zusammen, dann lehnte er sich im Stuhl zurück. Otto lächelte: Sein Opa hatte die beiden wirklich in- und auswendig gekannt!
    »Alle meine Besitztümer, bis auf eins …«, las der Anwalt weiter und ließ sie erneut zusammenzucken, »das ich meinem Enkel vermache.«
    Ranieri kramte in der Tasche und zog eine Pappschachtel heraus, die mit einer Schnur und einem roten Wachssiegel verschlossen war, auf dem die Buchstaben » PFP « zu sehen waren. An der Schnur hing noch ein Brief, ebenfalls versiegelt.
    Sobald Otto die Schachtel sah, überlief ihn ein Schauder. Öffne die Schachtel ,hatte der Großvater gesagt, kurz bevor er starb. Als er die Hand danach ausstreckte, kamen ihm die Worte des Conte Liguana in den Sinn.
    Hat er es dir schon gegeben?
    Vielleicht bist du für gewisse Dinge noch etwas zu jung.
    Vielleicht hat er nicht genug Vertrauen in dich gehabt?
    Die Schachtel war federleicht, so als ob sie leer wäre. Als Otto sie auf den Schoß nahm, kam es ihm vor, als wäre es ein Vogeljunges in seinem Nest.
    »Wer weiß, was Opa dir hinterlassen hat«, murmelte Carlotta und strich ihm sanft über den Rücken. »Möchtest du es öffnen?«
    Otto schüttelte den Kopf. Er würde die Schachtel erst in seinem Zimmer aufmachen, wenn er alleine wäre.
    Eine Weile machte sich Stille breit, dann fuhr der Anwalt fort: »Mehr gibt es nicht. Außer … einer Art testamentarischer Bedingung.«
    »Eine testamentarische Bedingung?«, fragte Sisifo leicht alarmiert. Er fürchtete wohl, dass Teile des letzten Willens seines Vaters üble Überraschungen bereithalten könnten.
    »Nichts Beunruhigendes, Herr Perotti. Ihr Vater hat verfügt, dass keines der Erbstücke verkauft oder verschenkt werden darf, auch nichts aus der Bibliothek und keinesfalls die Schachtel, die ich Otto gerade übergeben habe. An keinen Fremden. Auf gar keinen Fall.«
    Sisifo und Carlotta nickten, und Otto spürte, wie es ihm leichter ums Herz wurde.
    Dann galt es noch rasch die Formalitäten zu erledigen: Stempel und Unterschriften, die später vor einem Notar geleistet werden mussten, so verlangte es das Gesetz. Dann bat Otto um Erlaubnis, auf sein Zimmer gehen zu dürfen. Er schloss die Tür hinter sich, drehte den Schlüssel um und setzte sich an seinen mit Ersatzteilen und Werkzeugen überhäuften Tisch. Er griff nach der Schere und durchtrennte die Schnur. Dann nahm er ein kleines Messer und löste das Siegel, ganz vorsichtig, damit es nicht beschädigt wurde. Als er den Deckel der harmlos wirkenden Schachtel hochhob, hielt er den Atem an. Zum Vorschein kam ein mysteriöser dunkelgrüner Gegenstand, der entfernt an oxidiertes Silber erinnerte.
    Es war ein Ikosaeder.
    Sein Großvater hatte ihm einen der fünf platonischen Körper hinterlassen, ein Polyeder, also ein Vieleck, mit zwanzig gleichseitigen Dreiecken als Flächen.
    »Hundertzwanzig Symmetrien, sechzig Drehachsen …«, murmelte Otto und drehte das Ikosaeder so, dass Licht auf die einzelnen dreieckigen Flächen fiel. Auf jeder Fläche waren Zahlen eingraviert, wie bei einem Würfel.
    »Was für eine Teufelei ist das denn?«, murmelte Otto und drehte das Ikosaeder weiter. Er war völlig fasziniert. Dann ging er zu dem weit geöffneten Fenster, sah hinaus und sagte leise: »Du amüsierst dich köstlich, oder?«
    Obwohl er nie an die Existenz Gottes oder des Jenseits
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