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Curia

Curia

Titel: Curia
Autoren: Oscar Caplan
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Ottolenghi und die Gedanken an das, was er dem Papst sagen würde.
    Er bog in eine Straße ein, die nach unten zum Seeufer führte. Dann nahm er eine Abkürzung über eine kleine Straße aus gestampftem Lehm, eine Einbahnstraße. Er radelte vorsichtig. Zu seiner Rechten ging die Straße in eine steile Böschung über, den einzigen Schutz bildete eine Reihe von Zementpfählen.
    Plötzlich bog ein Alfa Romeo mit verspiegelten Scheiben aus der entgegengesetzten Richtung in die Straße ein und beschleunigte. Der Kardinal bremste scharf, dicht am Straßenrand. Mit quietschenden Reifen beschleunigte das Auto erneut, wirbelte eine Staubwolke hinter sich auf. Ein dumpfer Aufprall. Der Kardinal wurde über den Straßenrand hinausgeschleudert, das Fahrrad wickelte sich um einen Zementpfeiler. Der Körper des Kardinals fiel zu Boden wie eine Puppe, rollte etwa zwanzig Meter weit den Abhang hinab und blieb am tiefsten Punkt der Böschung auf dem Rücken liegen. Seine Augen schienen einen unbestimmbaren Punkt am Himmel zu fixieren, Blut rann ihm aus dem Mund.
    Noch immer drehte sich ein Rad des Fahrrads, sein leises Surren war das einzige Geräusch in der Stille der leeren Straße. Mitten auf der Straße lag die Brille, mit zersprungenen Gläsern.
    Ein Schwarm Spatzen erhob sich flügelschwirrend aus einem Waldstück, flog hoch in den Himmel und kreiste dann über dem Apostolischen Palast.

    Auf dem sonnendurchglühten Cour Napoléon standen Touristen in einer Warteschlange vor dem Eingang der Louvre-Pyramide.
    Im Büro des Konservators der Ägyptischen Abteilung des Louvre saß Théo St. Pierre an seinem Schreibtisch und untersuchte, den Kopf über eine Lupe gebeugt, die in eine Statuette von Seti I. geritzten Hieroglyphen. Mein lieber Freund, du magst ja ein tüchtiger Bildhauer gewesen sein , dachte er, aber als Schreiber kannst du einem leidtun . Er hob die Statuette an und drehte seinen Sessel zum Fenster um. Das Telefon klingelte.
    »Ja, das bin ich … Ein Polizeikommissar? … Weshalb?«
    »Ich dachte, der Vatikan hätte Sie schon angerufen. Ich bin Kommissar Dominici vom Polizeipräsidium in Rom. Ich fürchte, ich habe eine schlimme Nachricht für Sie. Ihr Bruder, Kardinal Vanko St. Pierre, ist heute Morgen in Castel Gandolfo bei einem Verkehrsunfall ums Leben gekommen. Es tut mir sehr leid.«
    Théos Finger umklammerten den Griff der Lupe, bis die Knöchel sich weiß färbten. »Wie … wie ist das passiert?«
    Die Worte des Kommissars verloren sich in einer Folge aus Bildern, die im Lauf der Zeit verblasst waren. Kopfsprünge ins Meer mit Vanko von den Klippen der Insel Kos, nah beim Haus der Großeltern … Edmonds Wutausbruch, als Vanko zu Hause angekündigt hatte, dass er ins Priesterseminar gehen wollte … Sein Ärger und seine Enttäuschung, weil er den Bruder nicht von dieser connerie abbringen konnte … Alexias gerührte Tränen während der Zeremonie im Petersdom, als Vanko die Kardinalswürde verliehen wurde.
    »Commissario, ich weiß nicht, ob ich Ihnen folgen kann. Sie sagen, es könnte sich um etwas Schwerwiegenderes handeln als um einen Unfall?«
    »Das habe ich nicht gesagt. Im Moment beschränke ich mich darauf, festzustellen, dass die Todesumstände unklar sind.«
    »Haben Sie die Leute vom Heiligen Stuhl schon befragt?«
    Am anderen Ende folgte Schweigen. »Ja und nein.«
    »Ich bin momentan wirklich nicht zum Rätselraten aufgelegt.«
    »Der Heilige Stuhl genießt das Recht der Exterritorialität, das den Papstpalast in Castel Gandolfo einschließt. Die Beziehungen zu diesen Leuten sind alles andere als einfach.«
    »Wenn ich recht verstanden habe, ist mein Bruder auf italienischem Hoheitsgebiet gestorben.«
    »Natürlich, und die Sache fällt in unseren Zuständigkeitsbereich, doch ohne die Mitarbeit des Vatikans werden wir nicht weit kommen. Können Sie mir folgen?«
    »Ich nehme das erste Flugzeug nach Rom.«
    »Darum wollte ich Sie gerade bitten.«
    »Commissario …?«
    »Ja?«
    »Wo ist der Leichnam meines Bruders jetzt?«
    »Im Leichenschauhaus des Krankenhauses von Marino, in den Castelli Romani, mit dem Auto eine Viertelstunde von Castel Gandolfo entfernt.«
    Théo legte auf, und seine Hand blieb lange auf dem Hörer liegen. Er atmete tief durch, drehte sich um, öffnete ein Schränkchen und holte eine Flasche Delamain Réserve heraus. Er füllte ein Cognacglas und trank es in einem Zug leer. Was war das Schlimmste am Tod für den, der zurückblieb? Das Gefühl, dass in einem verfehlten
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