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Curia

Curia

Titel: Curia
Autoren: Oscar Caplan
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nach alten Handschriften suchte, aus Mazedonien die auf Griechisch verfasste Abschrift einer Sammlung von vierzehn kleinen Büchern des sagenumwobenen Corpus Hermeticum mit. Cosimo war so begierig auf deren Inhalt, dass er Ficino befahl, seine Übersetzung der platonischen Dialoge zu unterbrechen und sofort damit zu beginnen, das Corpus aus dem Griechischen ins Lateinische zu übersetzen. Ficino vollendete die Übersetzung im April 1463.
    Diese vierzehn Büchlein waren im zweiten Jahrhundert nach Christus im ägyptischen Alexandria entstanden. Doch sogar Clemens von Alexandria, einer der Kirchenväter, hatte geschrieben, dass sie sich auf eine weit ältere Quelle bezogen, eine ägyptische Quelle, von der es hieß, sie umfasse zweiundvierzig Bücher und enthalte die geheimen Rituale der ägyptischen Priester.
    »Marsilio Ficino war so fasziniert von dem Corpus , dass er Recherchen anstellte, um etwas über dessen Ursprünge herauszufinden. Schließlich fasste er das Ergebnis seiner Entdeckungen in dem Pergament von 1463 zusammen.«
    »Was steht in dem Pergament?« Théo packte den Mönch am Arm. »Auf welche Quellen bezog es sich?«
    Pater Ascanio entwand sich seinem Griff. »Ich habe Ihnen schon gesagt, dass der Brief die Glaubwürdigkeit der Bibel gefährdet, und das ist die Antwort auf Ihre Frage nach einem Motiv. Bitte fragen Sie nicht weiter.«
    »Sagen Sie mir wenigstens, ob Sie die Dokumente gefunden haben, die in dem Pergament erwähnt werden.«
    »Nur einen Teil.«
    »Und bestätigen Sie Ficinos These?«
    »Sie zeigen, dass Ficino keine erfundenen Geschichten erzählt. Ich bin überzeugt, dass die fehlenden Dokumente irgendwo existieren.«
    »Wer hat das Pergament gefunden?«
    »Der Kardinal.«
    »Wie ist es möglich, dass ein so bedeutendes Pergament unbeachtet blieb?«
    »Sie wissen vielleicht nicht, dass die Dokumente des Vatikanischen Geheimarchivs gut fünfundachtzig Regalkilometer einnehmen.«
    Die Archive waren auf die Räume unter dem Cortile del Belvedere und dem Cortile della Pigna und die sogenannten soffitoni verteilt, die Dachböden über der Galerie der Geographischen Karten in den Vatikanischen Museen. Es war also nicht verwunderlich, dass es noch immer nicht katalogisierte Dokumente gab, deren Inhalt viele Überraschungen über die wahre Geschichte des Christentums bergen konnte.
    »Hat mein Bruder dieses Pergament rein zufällig gefunden?«
    »Na ja, nicht ganz. Zwar sind viele Dokumente noch nicht katalogisiert, doch sie können anhand ihrer Sprache, ihres Themas und ihres Materials – Papier, Pergament oder Papyrus – in bestimmten Bereichen des Archivs vorläufig gelagert werden.«
    Es stimmte nicht, was die Presse gemeldet hatte, nämlich dass das gesamte Archiv für Forscher geöffnet worden sei, und es stimmte auch nicht, dass die ältesten Dokumente aus dem Jahr 1000 stammten. Einige Abteilungen des Archivs blieben weiterhin geheim, vor allem jene, die heikle geschichtliche Phasen oder Themen betrafen, wie die ersten Jahrhunderte der Kirche, die Inquisition oder die Beziehungen zwischen der Nuntiatur in Berlin und Hitlerdeutschland.
    »Im unterirdischen Bunker des Cortile della Pigna werden die vertraulichsten Dokumente aufbewahrt. Zu einigen Räumen haben nur vier Personen Zutritt: der Papst, der Präfekt der Glaubenskongregation, der Kardinal-Archivar und der Präfekt des Archivs.«
    »Wo befinden sich die Dokumente, die Sie entdeckt haben, jetzt?«
    »Sie sind verschwunden.«
    » Verschwunden ?«
    »Wir hatten sie an einem sicheren Ort aufbewahrt. Als ich vom Tod des Kardinals erfuhr, habe ich das Versteck sofort überprüft, und die Dokumente waren nicht mehr da.«
    »Erinnern Sie sich noch, wann Sie die Papiere zum letzten Mal gesehen haben?«
    »Drei Tage, bevor Ihr Bruder nach Castel Gandolfo fuhr. Eines weiß ich jedenfalls gewiss: Ihr Bruder hat nur Fotokopien mitgenommen – welche, weiß ich nicht –, und ich kann Ihnen auch den Grund nennen.«
    An Vankos Todestag hatte das Archiv am späten Vormittag ungewöhnlichen Besuch bekommen: Kardinal Ottolenghi in Begleitung von Monsignore Guzman, dem Generalprälat des Opus Dei, und eines Numerariers, eines ortsansässigen Mitglieds des Opus. Die drei hatten sich im Büro des Präfekten eingeschlossen. Dann waren sie direkt in Vankos Arbeitszimmer gegangen, hatten die Tür verschlossen und waren über eine Stunde dort geblieben.
    »Waren Sie schon in der Wohnung Ihres Bruders?«, fragte Pater Ascanio.
    »Nein, warum?«
    »Die
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