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Curia

Curia

Titel: Curia
Autoren: Oscar Caplan
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Michelangelos Kuppel, und der Himmel färbte sich orange. Ein Brief aus dem Jahr 1463 von Marsilio Ficino an Cosimo de’ Medici … Moses … der Exodus … Echnaton und Tutanchamun … die Kupferrolle … ein Schatz … ein unauffindbares Grab … eine Kette aus Echnatons Zeit mit einem Symbol Atons, das er noch nie gesehen hatte. Das alles schienen Teile eines unmöglichen Puzzles zu sein, eines Puzzles, dessen Lösung vielleicht in einem der Vatikanischen Paläste lag.
    Das Bild von Pater Ascanio, der sich über die Piazza del Laterano entfernte, schoss ihm durch den Kopf. »Halten Sie sich fern vom Opus Dei und vor allem von Monsignore Guzman.« Quälend spürte er seinen Pulsschlag in den Ohren. Er wühlte in seinen Hosentaschen, zog die Taxiquittung heraus und hob den Telefonhörer.
    »Einen Moment«, sagte der Telefonist. »Ich verbinde Sie mit Pater Alessio, dem Prior. Warten Sie bitte.«
    »Hier ist Pater Alessio. Mit wem spreche ich?«
    Théo erklärte dem Prior, wer er war. »Können Sie mir bitte Pater Cerri geben?« Ein langes Schweigen folgte. »Pater … sind Sie noch dran?«
    »Soeben ist ein entsetzliches Unglück passiert. Wir sind alle noch immer erschüttert. Pater Ascanio ist vor einer halben Stunde verstorben.«
    » Verstorben ? Aber wie ist das möglich? Ich habe mich vor wenigen Stunden von ihm verabschiedet, und es ging ihm ausgezeichnet. Was ist passiert?«
    »Ein Herzinfarkt. Der Arzt des Vatikan ist sofort gekommen, aber leider war nichts mehr zu machen.«
    »War er herzkrank?«
    »Wenn er es war, hat er nie mit mir darüber gesprochen.«
    »Wo ist er gestorben? Im Kloster?«
    »Nein, in seinem Büro im Archiv.«
    Théo wählte die Nummer des Kommissars Dominici. Die Strahlen mehrerer Scheinwerfer kreuzten sich am Himmel und tauchten die Kuppel von Michelangelo in gleißendes Licht.

    Théo schloss die Tür seines Zimmers im Hotel Raphael hinter sich und ging zum Bett. Er ließ seine Schuhe in eine Ecke fliegen, lehnte ein Kissen ans Kopfende und legte sich hin. Er hob die Kette ins Licht und betrachtete das schaukelnde Medaillon. So etwas geschah in Albträumen oder in Filmen, nicht im Alltagsleben. Und selbst wenn es geschah, musste es einem ungeschriebenen Gesetz zufolge anderen passieren, nicht einem selbst.
    Er dachte an den Sommertag am Strand von Juan-les-Pins zurück. Vankos Lied erfüllte das Zimmer, dann umgab ihn wieder die Stille der Wohnung in der Via del Pellegrino. Eigenartig, die Vergangenheit. Nichts war gegenwärtiger als Erinnerungen, andauernd waren sie da, vor allem die, die man gern vergessen würde. Er hob die Hand, ergriff einen imaginären Bogen und ließ ihn über eine nicht vorhandene Geige gleiten. Das Telefon klingelte.
    »Signor St. Pierre?«
    »Ja? Wer ist am Apparat?«
    »Ich heiße Giulio Marsicano. Ich war der Notar Ihres Bruders. Im Louvre hat man mir die Nummer Ihres Hotels gegeben. Zunächst möchte ich Ihnen mein Beileid aussprechen …«
    »Danke. Entschuldigen Sie bitte, aber im Moment ist mir wirklich nicht danach zumute, über Erbangelegenheiten zu …«
    »Ich rufe Sie nicht aus diesem Grund an.«
    »Nein? Warum dann?«
    »Ihr Bruder hat mir einen Umschlag für Sie gegeben. Ich nehme an, er enthält wichtige Dokumente. Wann können Sie vorbeikommen, um ihn abzuholen?«
    Nachdem er aufgelegt hatte, nahm Théo die goldene Taschenuhr vom Nachttisch. Er strich mit dem Daumen über die auf den Deckel gravierten Initialen NV und öffnete ihn. Sein Blick wanderte über die römischen Stundenziffern, die auf das Zifferblatt aus weißer Emaille gezeichnet waren, und über die Inschrift: »Vacheron Constantin, Genève, 1934«. Er drehte die Uhr um und ließ das Licht der Nachttischlampe mit dem Bild spielen, das in das Gehäuse ziseliert war, der flötenspielende Gott Pan, umgeben von tanzenden Faunen.
    Dann drückte er einen Knopf. Mit einem Ruck öffnete sich das Gehäuse, und das Glockenspiel begann das Lied zu spielen, das Alexia als Kind gesungen hatte:

    Au clair de la lune,
    Mon ami Pierrot,
    Prête-moi ta plume,
    Pour écrire un mot…

    Er schloss die Augen, um sich von Alexias Stimme in den Schlaf wiegen zu lassen.

    Ma chandelle est morte,
    Je n’ai plus de feu,
    Ouvre-moi ta porte,
    Pour l’amour de Dieu …

 
    3    Die Hände auf dem Rücken gekreuzt, stand Monsignore Vicente Guzman, der Generalprälat des Opus Dei, vor der Fenstertür seines Arbeitszimmers in der Villa Tevere. Eines der Originalgemälde an den Wänden zeigte David,
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