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Curia

Curia

Titel: Curia
Autoren: Oscar Caplan
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    Ignacio, der einen ähnlich kräftigen Körperbau hatte, schob ihn weg und stürzte sich auf Felipa, die an der Schwelle zur Küche stand. Doch er packte ihn am Arm, zwang ihn, sich umzudrehen, und versetzte ihm einen Faustschlag mitten ins Gesicht. Das Krachen des brechenden Nasenbeins bereitete ihm tiefe Befriedigung, ebenso das Blut, das ihm ins Gesicht spritzte. Ignacio starrte ihn entsetzt an, dann wurden seine Augen zu denen einer wilden Bestie.
    Vicente wich seinem Hieb aus und schlug erneut zu, traf ihn erst im Gesicht, dann mehrmals im Bauch. Ignacio fiel zu Boden. Vicente begann, ihn mit Tritten zu traktieren, trotz der Schreie von Felipa, die ihn zurückzuhalten versuchte.

    Noch am selben Abend waren Felipa und er zum Bahnhof gegangen und hatten einen Zug nach Saragossa genommen, wo sie fortan im Haus der Schwester seiner Mutter lebten. Er hatte Ignacio nie wiedersehen wollen, auch nicht, als er im Krankenhaus von Valencia an Magenkrebs gestorben war.
    Jemand klopfte an die Tür. Er sah auf die Uhr. Zehn Uhr abends. »Herein!« Die Tür öffnete sich, und ein junger Mann von etwa dreiundzwanzig Jahren trat ein.
    Zögernd setzte Lorenzo Santi sich in einen roten Samtsessel vor dem Louis-seize-Schreibtisch. Der Monsignore musterte ihn im Licht der Lampe. Der junge Mann senkte den Blick. Blonde Haare, blaue Augen, die weichen Züge eines Gymnasiasten und eine Berufung wie ein mittelalterlicher Zisterzienser. Santi war der ideale Numerarier, das beste Stück aus der Produktion des Opus Dei. Und er war Laie: Keine Kutte verriet ihn.
    »Nun, Santi?«
    »Nichts, Monsignore, absolut nichts. Ich habe al-alles durchwühlt. Ich ha-habe sogar unter der Matratze, unter den T-Teppichen, hinter den Bi-Bildern gesucht … Nichts.«
    »Sind Sie sicher, dass der Bruder nicht schon vor Ihnen in der Wohnung war?«
    »Ganz sicher. Da-Das hat mir auch der Po-Portier gesagt.«
    »Und in der Zelle von Pater Cerri im Dominikanerkloster?«
    »Das Gleiche, Monsignore. Nichts.«
    Der Monsignore blickte auf ein Papier. »Großer Cosimo … Großer Cosimo«, sagte er halblaut. »Marsilio Ficino scheint sich seiner Sache sicher zu sein.«
    »Das Pergament nennt ausgezeichnete B-Belege, Monsignore.«
    »St. Pierre war kein Geisterseher. Wenn er außer Ficinos Brief nichts entdeckt hätte, hätte er die Sache auf sich beruhen lassen. Allerdings hat der Sekretär des Papstes mir versichert, er habe nichts anderes in der Tasche gefunden.«
    »Ich glaube, ich b-bin auf einen Hinweis ge-gestoßen.«
    »Einen Hinweis? Welchen?«
    »Es ist möglich, dass der K-Ka-Kardinal auch eine Handschrift von Th-Theophilos von Alexandria gefunden hat.«
    » Theophilos von Alexandria ? Was bringt Sie auf die Idee?«
    »Zwei Dinge.«
    Als sie an jenem Tag im Archiv waren, hatte der Präfekt erzählt, dass Kardinal St. Pierre ganze Tage damit zugebracht habe, etwas in den unterirdischen Räumen des Cortile della Pigna zu suchen. In diesem Bereich des Archivs wurden die noch nicht katalogisierten Dokumente aufbewahrt, die auf die ersten Jahrhunderte der Kirchengeschichte zurückgingen.
    Nachdem Monsignore Guzman und Kardinal Ottolenghi das Archiv verlassen hatten, war Santi zum Präfekten zurückgekehrt, weil ihm eine Idee gekommen war. Er hatte sich Folgendes überlegt: Wenn der Kardinal etwas aus dieser Zeit gefunden hatte, dann musste es sich um Papyrus oder Pergament handeln, und das bedeutete, dass es restauriert werden musste.
    Es war 13:40 Uhr, das Personal des Restaurierungslabors saß bis 14:30 Uhr beim Mittagessen. Ungestört waren er und der Präfekt in das Labor hinuntergegangen und hatten am Computer das Verzeichnis der Restaurierungsarbeiten überprüft. Eine Datei mit einer Liste der Arbeiten im Mai betraf ein Projekt, das dreizehn Tage gedauert hatte. An den Code dieses Projekts war der Titel »Pergament von Theophilos von Alexandria« angehängt.
    »Theophilos von Alexandria war einer, der viel wusste«, sagte der Monsignore. »Wenn St. Pierre ein Pergament von ihm gefunden hat, wird die Sache bedenklich.«
    »Monsignore, könnte … könnte denn w-was Wa-Wahres dran sein an dem, was Manetho und die anderen His-Historiker über Moses geschrieben haben?«
    »Die Historiker? Pah!« Der Monsignore nestelte an seinem Brustkreuz. »Herodot wurde nicht nur ›Vater der Geschichtsschreibung‹, sondern auch ›Vater der Lüge‹ genannt.«
    »Und nun?«
    »Was würden Sie tun, wenn Sie Kardinal St. Pierre wären und wichtige Dokumente
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