Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen

Culpa Mosel

Titel: Culpa Mosel
Autoren: Mischa Martini
Vom Netzwerk:
gehalten, bis ihr zurück seid.«
    »Als die Koblenzer Kollegen zu ermitteln begannen, soll das Zimmer von Josef Pawelka schon wieder belegt gewesen sein«, berichtete Grabbe. »Und das Inventar hatte seine Tochter Andrea bereits mitgenommen.«
    »Inventar ist übertrieben«, Walde hob den Beutel aus der Kiste. »Nur diese alten Lettern, mit denen früher gedruckt wurde, und den Setzkasten hat seine Tochter mitgenommen, die Papiere waren in der Verwaltung.«
    »Wenn ich das richtig verstanden habe, soll der Mann erstickt worden sein«, Gabi schaltete den Monitor aus und rückte ihren Stuhl zurück.
    »Mit dem Blei?«
    »Weiß ich nicht, kann auch mit dem Kopfkissen gewesen sein. Oder es war ein Unfall«, antwortete Grabbe für seine Kollegin. »Er hat, bevor er Berufssoldat wurde, Schriftsetzer gelernt. Blei hat einen niedrigen Schmelzpunkt, da reicht schon eine Kerze zum Erhitzen.«
    »Um das herauszufinden, hättet ihr nicht den gesamten Inhalt des Setzkastens mitbringen müssen.« Gabi stand auf. »Ein paar von diesen Lettern genügen den Koblenzern vollkommen.«
    Annika hatte schon ein Buch neben ihr Kopfkissen gelegt.
    »Schon wieder die drei?«, kommentierte Walde leicht griesgrämig, als er den Titel erkannte.
    »Das sind richtige Freunde«, rief sie enthusiastisch. Fehlte nur noch, dass sie das Lied von den Drei von der Tankstelle anstimmte, dachte Walde und ließ sich auf dem Bett nieder.
    Seine miese Stimmung war augenblicklich verschwunden, als er das Buch aufschlug und Annika sich an ihn kuschelte. Zuerst wurde in der Geschichte von Jonny Mauser und Franz von Hahn erzählt. Es folgte ein Bild, das Annika als Poster an der Wand hängen hatte, auf dem die drei Freunde zusammen auf einem alten Fahrrad über den Bauernhof düsen. Er las weiter: »Und der dicke Adebar …«
    »So heißt der nicht!«, rief Annika.
    »Oh«, Walde tat überrascht. »Da habe ich mich wohl verlesen, aber so ähnlich heißt das Schwein schon … wie Adebar.«
    »Das ist der dicke Waldemar!«
    Er legte den Finger an die Textstelle. »Also, der dicke Waldemar …«
    »Genau!«, rief sie. »So heißt die Sau, genau wie du!«
    »Erstens ist Waldemar ein Schwein und zweitens: ich bin nicht dick.«
    Annika zog sich die Decke über den Kopf und kicherte.
    Walde las weiter von den Abenteuern der drei Freunde auf dem Bauernhof Mullewapp. Als im Folgenden wieder von Waldemar die Rede war, blieb das erwartete Gekicher aus. Sie schien müde zu sein. Oder sie wollte ihn nicht verärgern.
    »Schlaf gut und träum was Schönes.« Er klappte das Buch zu und küsste sie auf die Stirn.
    »Ich bin jetzt ein Vorschulkind«, murmelte sie, während sie sich auf die Seite rollte.
    »Hast du schon eine Vorschulmappe gekriegt?«
    »Nee, ich bin im Knipsclub«, nuschelte sie ins Kopfkissen.
    »Im Gripsclub?«
    »Steht an der Tafel in der Küche.«
    »Was?«
    Sie drehte sich auf die Seite und zog sich die Decke bis zum Ohr. »Musst du lesen.«
    Doris saß strickend auf der Couch. Mathilda schlummerte neben ihr zwischen einem großen Kissen und der Lehne. Weil an Doris’ anderer Seite Wollknäuel und eine flache Holzschale mit Stricknadeln lagen, ließ Walde sich im Sessel nieder und griff nach der Programmzeitschrift. Im Fernseher lief eine Tiersendung mit so leisem Ton, dass Walde kaum den Kommentar verstehen konnte. »Wie war dein Tag?«, flüsterte er.
    »Du kannst ruhig lauter sprechen«, sagte sie. »Ich warte auf die Sendung danach.«
    »Was kommt denn?« Er nahm die Fernbedienung vom Tisch und stellte den Ton lauter.
    »Eine Talksendung«, sagte sie. »Warum fragst du?«
    »Aus Interesse.«
    »Du hast doch gar keine Zeit.«
    »Warum?«, tat er ahnungslos.
    »Ich habe die Kiste gesehen.«

Zwei Wochen zuvor
    Elke zog den ruckelnden Reisekoffer über den Asphalt des Bahnhofsvorplatzes an dem großen Brunnen vorbei. Nach der Landung in Lüttich hatte sie den Zug um 0.25 Uhr nach Verviers genommen und war ausgerechnet während der knappen halben Stunde eingeschlafen.
    Sie blieb stehen, zog sich den Gurt der von der Schulter rutschenden Tasche über den Kopf. Es war kalt in Belgien und hier in den Ardennen obendrein noch neblig. Sollte sie sich ein Taxi nehmen und riskieren, von dem Fahrer wegen der kurzen Strecke angeschnauzt zu werden?
    In der leicht ansteigenden Straße hallte das Ruckeln der Räder von den Backsteinwänden wider. In der Nacht hatte dieser Teil der Stadt die Tristesse alter englischer Industriestädte. Und wie diese hatte auch Verviers
Vom Netzwerk:

Weitere Kostenlose Bücher