Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Cujo

Cujo

Titel: Cujo
Autoren: Stephen King
Vom Netzwerk:
verflog. Sie fuhr ihm durchs Haar und küßte ihn auf die Wange.
    Sie nahm sich dennoch vor, mit Vic darüber zu sprechen, und dann kam Steve Kemp, während Tad im Kindergarten war, und sie vergaß es, und auch in dieser Nacht schrie Tad wieder, daß es in seinem Schrank sei, das Ungeheuer, das Ungeheuer!
    Die Schranktür stand offen, die Decken lagen auf dem Stuhl. Diesmal brachte Vic sie in den dritten Stock und legte sie dort in einen Schrank.
    »Sie sind weggeschlossen, Tadder«, sagte Vic und küßte seinen Sohn. »Jetzt ist alles in Ordnung. Nun schlaf wieder ein und träum schön.«
    Aber Tad schlief noch lange nicht ein, und bevor er einschlief, öffnete sich die Schranktür, die sein Vater geschlossen hatte, ganz weit mit einem leisen Knarren, und er sah wieder den toten Rachen, in dessen toter Finsternis etwas Zottiges mit scharfen Zähnen und Klauen hockte, etwas, das nach Blut und Verderben roch.
    Hallo, Tad, flüsterte es aus seinem verfaulten Rachen, und der Mond starrte wie das weiße Schlitzauge einer Leiche in Tads Fenster.

    Die älteste Person, die in jenem Spätfrühling in Castle Rock lebte, war Evelyn Chalmers, den älteren Einwohnern der Stadt als Tante Ewie, George Meara als »alte Schreihälsin« bekannt. George Meara mußte ihr die Post bringen - die hauptsächlich aus Katalogen, Subskriptionsangeboten von Reader’s Digest und frommen Broschüren vom Kreuzzug für den Ewigen Christus bestand - und sich dabei ihre endlosen Monologe anhören. »Das einzige, was die alte Schreihälsin gut kann, ist das Wetter voraussagen«, hatte George gelegentlich zugegeben, wenn er leicht angetrunken mit seinen Kumpanen im Sanften Tiger saß. Ein-«audummer Name für eine Kneipe, aber es war die einzige, deren Castle Rock sich rühmen konnte, und das würde sich auch so bald nicht ändern.
    Georges Ansicht fand allgemeine Zustimmung. Tante Ewie war Inhaberin des Goldenen Spazierstocks der Boston Post, seit vor zwei Jahren der hundertzweijährige Arnold Heebert von der hinteren Veranda des städtischen Pflegeheims getorkelt war und sich das Genick gebrochen hatte, nicht ohne vorher noch ein letztes Mal gewaltig zu furzen. Der Alte war schon so senil gewesen, daß ein Gespräch mit ihm die gleiche intellektuelle Herausforderung bedeutete wie der Versuch, sich mit einer leeren Katzenfutterdose zu unterhalten.
    Tante Ewie war nicht annähernd so senil, wie Arnie Heebert gewesen war, und auch nicht annähernd’ so alt, aber mit dreiundneunzig hatte sie immerhin ein beachtliches Alter erreicht, und es machte ihr nicht nur Spaß, den resignierten, oft verkaterten George Meara anzubrüllen, wenn er die Post brachte, sie war auch nicht dumm genug gewesen, sich wie Heebert aus ihrer Wohnung drängen zu lassen.
    Und mit dem Wetter kannte sie sich aus. Die Stadt war sich darüber einig - jedenfalls die älteren Leute, die sich für diese Dinge interessierten - daß Tante Ewie sich in drei Dingen niemals irrte: wann im Sommer das erste Gras gemäht werden konnte, wie gut (oder wie schlecht) die Heidelbeeren ausfallen würden, und wie das Wetter sein würde.
    An einem Tag Anfang Juni schlurfte sie zu ihrem Briefkasten am Ende der Auffahrt, stützte sich dabei schwer auf ihren Spazierstock von der Boston Post und rauchte eine Zigarette der Marke Herbert Tareyton. Den Stock würde wahrscheinlich Vin Marchant erben, wenn die alte Schreihälsin abkratzte. Brüllend begrüßte sie Meara und zeterte dann, daß es den heißesten Sommer seit dreißig Jahren geben würde. Am Anfang heiß und am Ende heiß, schrie sie mit lederner Lunge in die schläfrige Mittagsstille, und in der Mitte heiß. In ihrer Taubheit war sie offenbar davon überzeugt, daß alle anderen aus lauter Sympathie gleichzeitig taub geworden wären.
    »Tatsächlich?« fragte George.
    »Was?«
    »Ich sagte ›tatsächlich?‹« Das war das andere: Tante Ewie schaffte es immer, daß man selbst genauso laut schrie wie sie selbsj. Da konnte einem leicht eine Ader platzen.
    »Ich will ein Schwein küssen und dabei lachen, wenn das nicht stimmt!« johlte Tante Ewie. Die Asche ihrer Zigarette fiel auf George Mearas blaue Uniformjacke,, die er erst heute morgen frisch gereinigt angezogen hatte. Resigniert wischte er sie ab.
    Tante Ewie schob den Kopf durch das Wagenfenster, um ihm noch besser ins Ohr brüllen zu können. Ihr Atem roch nach sauren Gurken.
    »Die Feldmäuse sind schon alle aus ihren lächern raus! Tommy Neadeau hat am Moosuntic Pond schon Hirsche
Vom Netzwerk:

Weitere Kostenlose Bücher