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Cryer's Cross

Cryer's Cross

Titel: Cryer's Cross
Autoren: Baumhaus
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entschließt sich zu einem Spaziergang. Selbst hier auf ihrem eigenen Gelände fühlt sich Kendall unwohl dabei, alleine zu laufen. Auf dem Weg zum Südwestfeld sieht sie sich alle dreißig Schritte nervös um.
    Nach ein paar Minuten hört sie die vertraute Stimme ihres Vaters und geht zu ihm.
    »Hi Daddy!«
    »Wie geht es meinem Mädchen?«, fragt Mr Fletcher und umarmt Kendall, darauf bedacht, sie mit seinen schmutzigen Händen nicht zu berühren.
    »Gut, jetzt, wo ich bei dir bin«, antwortet sie ernst. »Was hast du da?«
    »Das hier nennt man Kartoffel«, erwidert Mr Fletcher.
    »Faszinierend.«
    Gemeinsam laufen sie ein paar Reihen voneinander entfernt das Feld ab und bleiben ab und zu stehen, um die Knollen auf ihre Reife, Fäule und Ungeziefer zu prüfen. Kendalls Gedanken schweifen ab, und zufällige Erinnerungen an den bisherigen Tag machen sich in ihrem Kopf breit.
    »Maschinen sind gut«, doziert Mr Fletcher, »aber sie können das menschliche Auge oder das Gespür einer Hand nicht ersetzen. So muss man sich um seine Saat kümmern, du musst eins mit ihnen sein, um Kartoffeln zu erschaffen, die deine Liebe erwidern.«
    »Jaja«, antwortet Kendall geistesabwesend. Sie stellt sich gerade vor, wie Jacián davonschleicht, um arme unschuldige Mädchen zu entführen, zu ermorden und in Stücke zu hacken.
    Als sie mit den Hausaufgaben fertig ist, ist es halb zehn. Ihre Beine schmerzen, aber sie hat noch keine Zeit, um ins Bett zu gehen. Sie legt eine DVD ein und setzt sich in ihrem Zimmer auf den Fußboden, um sich zu dehnen und aufzuwärmen. Um Viertel vor zehn beginnt sie mit den Positionsübungen des Balletts und arbeitet dann an ihrer Choreographie, die sie sich für das Bewerbungsvideo für die Juilliard selbst erarbeitet hat. Es tut gut. Aber sie ist erschöpft.
    Als Nico sie um elf Uhr versucht anzurufen, um ihr Gute Nacht zu wünschen, schläft sie schon. Aber es ist ein guter Schlaf. Beschäftigt und erschöpft zu sein ist für Kendalls Gehirn das Beste.
    Sie hat sogar vergessen, sechsmal ihren Fensterriegel zu überprüfen.

Wir
    Fünfunddreißig. Einhundert. Fünfunddreißig. Einhundert. Wir kennen. Das Gewicht, die Hitze. Wieder kämpft das Leben gegen Uns. Ein Herzschlag, ein Puls hinter gespannter Haut.
    Bitte.
Hilf mir.

5
    Am nächsten Morgen steht Kendall um sechs Uhr auf. Sie setzt sich an ihren Laptop und sieht sich die Homepage des Jugendtheaters in Bozeman an. Sie will herausfinden, welche Stücke im Herbst geplant sind und ob es zeitlich möglich ist, ein Theaterstück zwischen Fußball und den Rest zu schieben. Im letzten Frühling hat sie die Rolle der Miss Dorothy in Modern Millie bekommen. So viel Spaß hat Kendall in ihrem ganzen Leben noch nicht gehabt, und sie wurde sogar für einen lokalen Jugend-Theaterpreis nominiert. Nicht schlecht für ihr erstes Musical.
    Aber Kendall weiß schon seit Langem, dass sie singen, tanzen und schauspielern möchte. Schon als kleines Kind hat sie ganz allein in der Scheune ihre Stücke inszeniert, und wenn sie nicht Nico, Eli, Travis oder sogar den blöden Brandon überreden konnte, mitzumachen, hat sie einfach Katzen als Schauspieler eingesetzt.
    Nico hat meistens mitgemacht. Er ist der nächste Nachbar, und ihre Mütter waren schon miteinander befreundet, bevor die beiden geboren waren. Nico hat fast allem zugestimmt, um was Kendall ihn gebeten hat, außer wenn es darum ging, zu singen oder zu tanzen. Kendall war damit schnell einverstanden, nachdem sie feststellen musste, dass er in beidem eine totale Niete war.
    Kendall klickt sich auf die Webseite des Theaters und sieht, dass sie ein Vorsprechen für Grease haben. Doch als sie den Probenplan studiert, weiß sie, dass es unmöglich ist. Sie kann nicht während der Ernte und der Fußballsaison mehrmals wöchentlich nach Bozeman fahren. Zu weit weg. Zu viele andere Termine und Pflichten.
    Zu viele blöde Kartoffeln.
    Sie sieht noch schnell nach ihren E-Mails, klappt dann den Laptop zu und macht sich bereit für die Schule.
***
    In der Schule ist es ziemlich genau so wie am Tag zuvor. Kendall dreht den Mülleimer um, richtet die Kreide aus, zieht die Vorhänge auf, überprüft die Fenster und streicht mit den Fingern über die Riegel.
    »Alles gecheckt und in Ordnung«, flüstert sie. Dann nimmt sie noch kleine Veränderungen an den Tischen vor.
    Sie sieht die Schüler kommen. Die meisten sind zu Fuß da, ein paar kommen mit Autos oder Pick-ups. Kendall versucht, Cryer’s Cross durch die Augen eines
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