Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Crush Gier

Crush Gier

Titel: Crush Gier
Autoren: Brown Sandra
Vom Netzwerk:
neben dem Altar stehen sehen. Sie hatte die bewegten Grabreden seiner Verwandten und Freunde gehört. Sie hatte Myrna und seinen Sohn beobachtet, die laut weinend in der ersten Bank gesessen hatten und dadurch Lees Tod in all seiner Unwiderruflichkeit erschreckend real und noch schwieriger zu akzeptieren gemacht hatten.
    Â»Wir alle brauchen Zeit, um über diesen Schock hinwegzukommen«, versuchte Rennie das Thema möglichst ruhig abzuschließen.
    Doch die Schwester war noch nicht fertig. »Ich habe gehört, die Polizei hätte jeden verhört, der neulich auf Dr. Howells Party war.«
    Rennie vertiefte sich in die Patientenakten, die ihr während des Wortwechsels gereicht worden waren, und überhörte geflissentlich die unausgesprochene Frage in der Bemerkung der Krankenschwester.
    Â»Dr. Howell war immer so lustig, nicht wahr?« Die Krankenschwester kicherte, als würde sie sich an etwas besonders Komisches erinnern. »Und Sie beide haben sich immer gefetzt wie Hund und Katz.«
    Â»Wir haben uns nicht ›gefetzt‹«, korrigierte Rennie. »Wir hatten gelegentlich Meinungsverschiedenheiten. Das ist etwas anderes.«
    Â»Aber bei manchen dieser Meinungsverschiedenheiten ging es ziemlich zur Sache, wenn ich mich recht erinnere.«

    Â»Wir waren einander ebenbürtig«, stellte Rennie mit einem traurigen Lächeln fest.
    Am Vormittag hatte sie noch vor der Trauerfeier zwei Operationen durchgeführt. In Anbetracht der Umstände wäre es keine Schande gewesen, die Operationen abzusagen und den Nachmittag freizunehmen. Doch sie stand ohnehin unter Zeitdruck, weil sie vor kurzem aus wichtigem Grund zehn Tage pausiert hatte, was für sie und ihre Patienten schon ziemlich unerfreulich gewesen war.
    So kurz nach ihrer Rückkehr einen Tag Urlaub zu nehmen wäre gegenüber jenen Patienten, deren Operationen schon einmal verschoben worden waren, ausgesprochen unfair gewesen. Außerdem wäre sie dadurch noch mehr in Verzug geraten und hätte den nächsten Stau in ihrem streng durchorganisierten Terminplan provoziert. Darum hatte sie sich entschieden, alle heute fälligen Operationen durchzuführen und auch Sprechstunde zu halten. Lee hätte das bestimmt verstanden.
    Die Abendvisite bei den frisch operierten Patienten war ihre letzte offizielle Pflicht an diesem langen, zehrenden, anstrengenden Tag, den sie so schnell wie möglich hinter sich bringen wollte. Sie ließ das Thema des hingeschiedenen und beigesetzten Kollegen fallen und erkundigte sich stattdessen nach Mr. Tolar, dessen Zwerchfell-Hernie sie an diesem Morgen geflickt hatte.
    Â»Er ist immer noch benommen, aber er erholt sich gut.«
    Die Mappen unter den Arm geklemmt, betrat Rennie den Aufwachraum. Mrs. Tolar nutzte gerade die fünfminütige Besuchszeit, die einmal pro Stunde jeweils einem Familienmitglied eingeräumt wurde. Rennie stellte sich neben sie ans Bett. »Hallo, Mrs. Tolar. Wie ich höre, ist er noch ziemlich benommen.«
    Â»Als ich das letzte Mal bei ihm war, wurde er lang genug wach, um mich zu fragen, wie spät es ist.«
    Â»Das wird hier oft gefragt. Weil sich das Licht hier drin nie ändert. Das erschwert die Orientierung.«

    Die Frau legte die Hand an die Wange ihres schlafenden Mannes. »Aber jetzt scheint er durchzuschlafen.«
    Â»Das ist ein gutes Zeichen. Laut unserer Akte gab es bisher keine Überraschungen«, erklärte ihr Rennie, während sie die Daten überflog. »Blutdruck ist gut.« Sie klappte den Metalldeckel der Mappe wieder zu. »In ein paar Wochen wird er sich wie neu geboren fühlen. Dann braucht er auch nicht mehr in Schräglage zu schlafen.«
    Ihr fiel der zweifelnde Blick auf, mit dem die Frau ihren Gemahl betrachtete, darum ergänzte sie: »Er erholt sich ausgezeichnet, Mrs. Tolar. Nach einer Operation sieht jeder ein bisschen mitgenommen aus. Morgen wird er schon wesentlich besser aussehen, dafür wird er sich dann so verkatert und wehleidig fühlen, dass Sie sich wünschen werden, wir würden ihn wieder in Narkose legen.«
    Â»Mit einem muffigen Gesicht kann ich leben, solange er nur nicht mehr so leiden muss.« Sie sah Rennie an und senkte vertraulich die Stimme. »Ich denke, jetzt kann ich es Ihnen sagen.«
    Rennie legte fragend den Kopf schief.
    Â»Er war ziemlich skeptisch, als ihn der Internist an Sie überwiesen hat. Er hält nicht viel von
Vom Netzwerk:

Weitere Kostenlose Bücher