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CROMM - Das Dorf findet dich (German Edition)

CROMM - Das Dorf findet dich (German Edition)

Titel: CROMM - Das Dorf findet dich (German Edition)
Autoren: Isabell Schmitt-Egner
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Gefühl entschädigte für jede Qual, die er erlitten hatte, seit er in das Dorf gekommen war.
    Und er begriff endlich das Schicksal. Seine persönliche Bestimmung, hier zu sein. Er hatte den Flyer im Waschcenter finden müssen, kein anderer hätte ihn je gesehen. Er glaubte, es hatte nur diesen einen Zettel gegeben. Keine weiteren mehr. Was ihm vorhin noch Angst bereitet hatte, gab nun einer Dankbarkeit Platz. Er war dankbar für diese Erfahrung, diesen Käfer an seinem Körper, der ihn besser zu verstehen schien, als alle Doktoren dieser Welt. Seit dieses kleine Tier an ihm war, hatte er so viel durchgemacht und gelernt, dass es nicht anders sein konnte. Der Käfer brachte das Heil in diese Welt.
    Ein letzter Laut drang an seine Ohren. Ein Schreien, so markerschütternd und verzweifelt, dass es ihn traurig werden ließ. Doch er weinte nicht mehr. Das Schreien hallte durch den Kellerraum. Es war nicht mehr sein eigenes. Losgelöst von seinem Körper schien es, bis es schließlich leiser wurde und leiser, und in einem düsteren Winkel seiner Gedanken erstarb. Jakob umarmte die Situation, in der er sich befand. Und wieder wusste er etwas einfach so, ohne ein Warum und Woher: Gleich würden sie kommen und ihn befreien.
    Es kitzelte an seinem Bauch. Dort, wo die dünnen, langen Beinchen in seine Haut gedrungen waren, bewegte sich etwas, leicht und sachte. Als würde etwas zum Leben erwachen, dann lösten sie sich von ihm. Als leichter Wind an seine schwachen Wunden kam, schüttelte es ihn kurz, aber es kitzelte genauso. Etwas Blut floss aus ihm. Das merkte er, als kleine Rinnsale über seinen Bauch tanzten, so langsam und bedächtig, als würden sie ihren Weg bewusst zurücklegen. Es lebte in ihm. Das Blut und alles, was nach außen trat, war genauso ein Teil von ihm.
    Dann spürte er den Druck beinahe direkt unter seinem Solar Plexus und seine Hauptschlagader am Bauch pulsierte unruhig. Aber das Gefühl verging so schnell, wie es gekommen war. Etwas löste sich von ihm, hielt sich dabei mit seinen Beinchen an ihm fest. Der Käfer zog seinen Kopf und damit seine Kneifer aus ihm. Aber es gab kein blubberndes Geräusch, wie bei Martin, als das Insekt von ihm abließ.
    Seine Wunde am oberen Ansatz des Bauches schien sogleich verschlossen, als hätte der Käfer ihn zugenäht, während er sich löste. Vielleicht sonderte er eine bestimmte Flüssigkeit ab. Es tat so gut, diese Freiheit zu spüren, gelöst zu sein von seinem Parasiten, den er doch auf eine gewisse Art vermissen würde. Er spürte, wie sich der Käfer regte unter seinem Shirt. Er drehte seinen Körper nach unten und es kitzelte wieder über seine Haut, dass er eine Gänsehaut bekam. Dann krabbelte der Käfer langsam unter dem Shirt hervor, trat auf den Schlitz seiner Jeans und noch weiter bis auf den rechten Oberschenkel. Jakob wagte einen Blick nach unten.
    Es war zu dunkel, um seine Farbe auszumachen. Er wirkte nur schwarz, so, wie er ihn von Martin und Remo in Erinnerung hatte, als die Insekten über den Boden getabbelt waren, um in die dunklen Winkel zu entkommen. Aber Jakob konnte ganz genau erkennen, dass sich der Käfer aus drei perfekt komponierten Formen zusammensetzte, einem ovalen, dicken Torso, an dem sich ein weiterer runder Teil befand, kleiner als der Nacken, der zum Kopf führte. An diesem letzten Stück hingen zwei lange Kneifer, von denen Flüssigkeit tropfte. Jakobs Blut.
    Er erlaubte dem Käfer, es mitzunehmen. Ein letztes Andenken an die Zeit, die sie zusammen verbracht hatten. Aus dem Unterkörper wuchsen vier lange Beine, aus dem Nackenteil weitere zwei. Sie waren beinahe so dünn wie die einer Spinne, aber als der Käfer schließlich von ihm sprang, offenbarte er eine leichte Plumpheit in der Bewegung. Kurz noch verharrte er auf dem Boden vor Jakob, dass dieser ihn weiter betrachten konnte. Beinahe eins mit der Dunkelheit, kam es Jakob trotzdem so vor, als ob er von dem Käfer beobachtet wurde. Ein letzter Gruß, bevor er gemächlich in den dunklen Winkeln des Kellerraums verschwand.
    Mach's gut, mein Freund, dachte Jakob, und nur kurz, so kurz, dass er gar nicht auf den Gedanken kam, dass es von ihm stammte, fragte er sich, ob er noch alle beisammen hatte. Er war hier gefangen, verdammt noch mal. Ein scheiß Käfer hatte sich in ihm festgebissen und ihn ausgesaugt.
    Aber nein ... dachte er. Nicht ausgesaugt.
    Gereinigt.
    Dann bestätigte sich seine Vorahnung und das Licht erschien wieder im Gang. Er hatte sie erwartet und er wollte sie
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