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CROMM - Das Dorf findet dich (German Edition)

CROMM - Das Dorf findet dich (German Edition)

Titel: CROMM - Das Dorf findet dich (German Edition)
Autoren: Isabell Schmitt-Egner
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sogleich begrüßen, aber seine Kehle war zu trocken. Überhaupt fühlte er sich ausgetrocknet, als hätte er alle Flüssigkeit verloren. Und trotzdem war er lebendiger als je zuvor. Er wusste, dass sie ihn gleich versorgen würden.
    Diesmal erschienen zwei Männer und eine Frau. Und er kannte all ihre Gesichter. Sie waren nicht seine Aufpasser oder Entführer, sie waren seine Verbündeten. Eine tiefe Liebe erfüllte ihn, als sie seine Zellentür aufschlossen, das Licht in seine Richtung hielten.
    »Jetzt ist alles gut, Jakob«, sagte die Frau, nahm dem einen Mann die Lampe aus der Hand und stellte sich etwas zurück. Die beiden Männer entfesselten ihn. Seine Arme wären schwer nach unten gefallen, so schwach war er, wenn nicht einer der beiden sie sanft an seine Seite gebettet hätte. Sie schnallten ihn an den Füßen los und lösten ihn aus der Umklammerung an seiner Hüfte. Gemeinsam hoben sie ihn an, seine Arme lagen auf ihren Schultern. So führten sie ihn hinaus. Manchmal ließ er sich über den Gang schleifen auf dem Weg, weil seine Beine zu schwach waren, aber schließlich gelang es ihm, erhobenen Hauptes seinen Platz der Reinigung zu verlassen.
    Als sie ins Freie gelangten, auf einen Feldweg, wo der Wind ihm ins Gesicht blies und frische Luft seine Lungen füllte, verlor er das Bewusstsein. Er erwachte erst, als er nackt in warmem Wasser lag. Viele Hände streichelten seinen Körper mit weichen Schwämmen und Tüchern. Sie wuschen ihn. Eine Hand war zwischen seinen Beinen und es war ihm nicht unangenehm, eine Erektion zu haben. All das hatte nichts Sexuelles. Seine zweite Reinigung ging schweigend vonstatten. Erst als er seine Augen öffnete und in die Gesichter von fünf Frauen schaute, vernahm er die schönste Stimme seines Lebens. Sie sagte:
    »Willkommen in unserer Gemeinde, Jakob.«

Ein Jahr später
    Kurz vor Halloween

    Karl sah auf die Tankanzeige, die im letzten Viertel stand. An der nächsten Tankstelle würden sie anhalten. In dieser Gegend wusste man nie, wie lange man keine fand und am Ende blieben sie dann mit dem Wagen liegen.
    »Du musst tanken«, sagte seine Frau vom Beifahrersitz. Karl presste die Hände um den Fellschoner des Lenkrads.
    »Ja, Vera.«
    Sie hatte seinen Blick bemerkt und es ihm befohlen, bevor er es selbst aussprechen konnte. Das kannte er und ließ sich nichts anmerken. Den Triumph gönnte er ihr einfach nicht.
    »Wir fahren die nächste Tankstelle an. Man weiß hier nie, wann was kommt.«
    »Ja, Vera.«
    »Da können wir dann auch die Blumen kaufen. Die haben ja hoffentlich Blumensträuße in diesen Läden hier. Ich will nicht aussteigen und selbst pflücken müssen.«
    »Ja, Vera.«
    Karl spielte seine Schallplatte ab, es war eine Phrase, die automatisch aus seinem Mund kam. Wahrscheinlich die einzigen beiden Worte, die er auch in Narkose hätte sagen können. Nach dreiundvierzig Jahren Ehe wusste er, wann man stritt und wann man die Klappe hielt.
    Karl stieg auf die Bremse, als er das Hindernis sah und Veras Oberkörper wurde erst nach vorn und dann nach hinten gedrückt. Sanft zwar, aber es reichte, dass sie den Mund öffnete, um zu protestieren.
    »Bevor du was sagst ... da steht ein Traktor«, kam Karl ihr zuvor und freute sich tierisch. Der liebe Gott hatte ihm eine kleine Vorlage geliefert und er hatte sie spontan genutzt. Gegen einen Unfall konnte Vera nicht anzetern. Karl setzte eine kritische Miene auf, aber in Wahrheit genoss er die Unterbrechung.
    »Das wird bestimmt Stunden dauern, bis die von der Straße sind. Großartig! Und ich habe dir noch geraten, die Abkürzung zu fahren!«, sagte Vera.
    »Das war keine Abkürzung. Schau auf die Straßenkarte.«
    »Es war eine.«
    Karl erfasste die Lage vor ihnen. Das konnte in der Tat länger dauern. Der Traktor mit Anhänger versperrte die Straße und er hatte Ladung verloren. Irgendwelche Knollen. Ein Mann in einem karierten Hemd kam langsam zu ihnen herüber und Karl ließ das Autofenster herunter.
    »Hallo«, sagte er zu dem Mann in Bauernkluft. »Das sieht ja nicht so gut aus. Wie lange wird das wohl dauern?«
    Der Mann beugte sich zu ihm herab und sah ihm ins Gesicht, dann schaute er hinüber zu Vera. Karl wunderte sich, dass der Kerl gar nichts sagte und sie beide anstarrte.
    »Zu meiner Zeit hat man erst mal Guten Tag gesagt«, tadelte Vera. Der Mann reagierte nicht auf den Einwurf.
    »Sie können gleich weiter. Wir fahren kurz vor«, sagte er.
    »Gut, danke«, antwortete Karl. Er ließ das Fenster hochfahren
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