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CROMM - Das Dorf findet dich (German Edition)

CROMM - Das Dorf findet dich (German Edition)

Titel: CROMM - Das Dorf findet dich (German Edition)
Autoren: Isabell Schmitt-Egner
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war etwas Neues, Erschreckendes. Und es war ein Zeichen. Dafür, dass sie hier wirklich sterben konnten. Dass man sie nicht noch rettete, dass nicht im letzten Moment ein starker Lichtstrahl suchend umher tastete und vernünftige, kräftige Stimmen von Polizisten im Gang redeten und sie Sekunden später fanden, befreiten und Ärzten überantworteten. Remo hasste Krankenhäuser, aber in diesem Moment erschien ihm so ein steriler Kasten wie das verheißungsvollste Wunderland. Saubere Arztkittel, Pflaster und Desinfektionszeug ... mit Freuden würde er sich narkotisieren lassen, damit sie das Höllentier aus seiner Bauchhöhle schnitten.
    Remo sah sich selbst auf dem OP-Tisch, umringt von Fachpersonal, das routiniert alle nötigen Bewegungen ausführte. Ein Operateur zog mit einer Pinzette einzelne Insektenbeine aus Remos blutigem Fleisch und warf sie in eine Schale.
    Absaugen!
    Oh ja, er liebte es! Sollten sie doch absaugen, sollten sie doch alle Flüssigkeiten und Sekrete aus ihm heraus saugen! Er wollte es, er war bereit. Nur dieser verfluchte Käfer sollte damit aufhören! Der saugte an ihm oder tat sonst was ...
    Jakob atmete schwer und gequält in der Dunkelheit. Remo fühlte sich davon gestört. Er wollte nichts davon hören, diese ganzen Probleme ... er wollte in seiner sauberen Fantasie verharren. An die Ärzte denken, die sein Inneres desinfizierten, ihn reinigten. Remo konnte direkt spüren, wie dieses reine Gefühl sich in ihm breitmachte. Herrlich. Es war ganz plötzlich da, breitete sich von seiner Körpermitte aus. Er spürte sein Fleisch gar nicht mehr in dem Sinne, es war leicht, wie nicht vorhanden. Remo wünschte sich, dass sein ganzer Körper sich so anfühlen möge und im hintersten Winkel seines Hirns wunderte er sich, woher diese Veränderung gekommen war.
    Placeboeffekt! Er hatte so intensiv an die rettende Operation gedacht, dass er sie wirklich fühlte. Aber Placebopatienten wurden auch gesund. Das war nicht alles nur nutzlose Theorie. Remo erinnerte sich daran, so was mal in einer Zeitung gelesen zu haben.
    Er konzentrierte sich wieder auf seine Vision vom Krankenhaus, aber diesmal gelang es ihm weniger gut. Seine Gedanken vernebelten sich ein bisschen. Irgendwie merkwürdig. Die Insektenglieder bewegten sich noch in der Schale und versuchten, wieder zu ihm zurückzukriechen, um sich in seine Eingeweide zu versenken. Er konnte sie vor sich sehen, sie tasteten blind umher, suchten nach ihm.
    Klemme!
    Die Ärzte beachteten die lebenden Beine nicht. Remo konnte jetzt auch sehen, dass sie vorne kleine Krallen besaßen, mit denen sie sich, eine blutige dünne Spur hinterlassend, über das grüne OP-Tuch zogen.
    »Nehmt sie weg«, stöhnte Remo und erschrak, denn er hatte laut gesprochen. Ja, richtig, er befand sich noch in dem Keller, doch das war schlimm, denn hier gab es niemanden, der sich um den Käfer scherte. Aber die Ärzte konnten ihn noch rechtzeitig sehen, wenn er sich in der Narkose bemerkbar machen konnte. Das war ein reiner Akt des Willens. Remo fühlte die Bestecke, die schmerzlos an seinem Bauch herumtasteten und blutige Käferteile entfernten.
    Remo stöhnte wieder und dann stieß etwas gegen seinen Fuß. Er wollte nicht nachschauen, was es war. Er hatte keine Lust, mit Jakob zu reden, denn dann würden die Ärzte verschwinden und ihn dem Kellerkäfer überlassen. Wieder stieß etwas gegen ihn und das OP-Team löste sich auf und trieb in einem grünlichen Nebel davon.
    »Lass mich«, murmelte Remo.
    »Remo«, flüsterte Jakob. »Wir müssen was machen. Das geht nicht. Willst du hier etwa tatenlos rumhängen, bis der Käfer uns auch tötet? Martin ist tot, Mann. Er ist tot!«
    Wieder drang das weinende Atmen in Remos Ohr.
    »Will schlafen«, gab Remo zurück. Ja, er wollte schlafen und diesen Unsinn nicht hören. Es gab immer noch die Möglichkeit, dass sie gleich befreit wurden. Sobald das geschehen war, würde er sich fallen lassen. Sie konnten ihn dann versorgen, alles würde gut und rein werden.
    »Remo, komm schon. Konzentrier dich bitte. Denk an Franka. Sie kann es schaffen und uns Hilfe holen. Aber wir dürfen uns nicht darauf verlassen. Wir müssen auch was tun. Zieh mal an deinen Ketten. Die sind doch uralt. Vielleicht können wir die lockern.«
    Remo antwortete nicht. Er hatte weder Lust, Ketten zu lockern, noch an Franka zu denken. Seltsamerweise war es anstrengend, sie sich vorzustellen, als hätte er sie ewig nicht gesehen.
    Eine warme Welle glitt von seinem Bauch zu ihm
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