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Crime

Crime

Titel: Crime
Autoren: Irvine Welsh , Pößneck GGP Media GmbH
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Caitlin Pringle, einer alten Freundin, in der Ära vor Trudi. Der Vater war irgendein Mr.   Wichtig bei British Airways. Alasdair Pringle. Billiger Trip für ihn. Caitlin; die Tochter von Alasdair-Mr.-Wichtig-bei-der- BA . Eine reine Fickfreundschaft; ein Baseballwimpel aus jeder Stadt, in der sie Sex hatten. Der zweite Trip ging nach New York, mit ein paar Jungs von der Truppe. Eine Sauftour. Und dann noch Las Vegas, mit Trudi, zu einer Hochzeit. Wessen Hochzeit? Denken geht gar nicht. Aber jedes Mal hatte er unglaublich viel ferngesehen. Der erste Weg führte hier immer zum Fernseher, das war in keinem anderen Land so. Ein Klick mit der Fernbedienung, und man war in den USA angekommen. Die Schlagzeilen des Tages. Das Infomercial. Die Nachmittagssoap mit den redenden Schaufensterpuppen. Die Gerichtssendung. Die fetten Prekariatsmenschen, die sich anbrüllten, während Jerry, Ricki oder Montel zur Ordnung riefen. Sogar zu helfen versuchten. Versuchten, die Probleme der Armen und Fetten zu verstehen. Deren Bedürfnis nachzuvollziehen, sich in der Öffentlichkeit anzubrüllen und mit ihren fetten Fingern aufeinander zu zeigen. Die Datingshows am Abend. Die verblödeten, selbstgefälligen Sexbolzen, die sich selbst müde als »Aufreißer« verkauften, während sie langsam aber sicher an ihrem eigenen Überdruss erstickten. Gelangweilte, gelackte Mädchen mit regungslosen Gesichtern, ungerührt von allem bis auf den Jahresverdienst eines Mannes. Wie dieses wahnwitzig hohle Gequatsche durch den Kontext nicht nur verständlich, sondern geradezu zwingend erschien.
    Während er an den ohnehin schon fast zum Nagelbett runtergeschnittenen Fingernägeln herumknipst, erfüllen Stimmen das Zimmer. Sie übertönten das leise Surren der Klimaanlage. Ein Sender hat sich dem Anschein nach ganz der Kultur in Miami und Umgebung verschrieben. Für Lennox scheint es in erster Linie um Immobilien und Shopping zu gehen. Eine Reihe schick gemachter und trotzdem billig wirkender Moderatoren, die mit schneidigen Stimmen günstige Gelegenheiten zu verschiedenen Bauvorhaben von Apartmenthochhäusern vom Teleprompter ablesen. Eindeutig eine Riesensache. Das darf man sich nicht entgehen lassen! Die gescheiterten Schauspieler und botoxgesichtigen Models betonen die architektonischen Qualitäten von Gebäuden, die für Lennox aussehen wie schottische Plattenbauten bei Sonnenschein.
    – Ray, hör auf, deine Nägel zu schneiden, sagt Trudi,– dein Daumen blutet ja schon! Das ist eine Zwangshandlung!
    Er dreht sich um und studiert sie, wie sie auf dem Bett liegt und ihre Zeitschrift liest.
    – Muss aber sein, oder ich kaue dran rum. Ich muss sie kurz halten.
    Aber sie ist in Gedanken schon wieder ganz woanders: Ihr Mund formt ein O, und ihre Augen starren ins Heft, als könnte sie etwas, das da steht, entweder nicht fassen oder nicht ganz glauben. Früher hätte er diesen Gesichtsausdruck vielleicht sexy gefunden. Die Innenseite ihrer bronzefarbenen Schenkel gestreichelt. Rauf bis dahin, wo sich ein paar Schamhaare verführerisch aus ihrem Höschen kräuseln. Seine Hand zwischen ihre Beine geschoben. Odervielleicht auf ihre Brust gelegt. Seine Lippen auf ihre gepresst. Sein Schwanz aggressiv gegen ihren Unterleib stoßend.
    Aber jetzt sieht sie aus wie aus einer anderen Welt.
    – Eine Alien-Hochzeit, murmelt Lennox, während er in seinem Koffer kramt, der auf einem ausklappbaren Riemengestell am Fuß ihres Betts steht. Gibt es für diese Dinger einen eigenen Namen? Egal, irgendwo muss da ein Motörhead-T-Shirt drin sein. Ace of Spades . Er nimmt es heraus. Es liegt über einem weißen mit BELIEVE in großen, weinroten Buchstaben.
    Lennox schaut auf die Straße und sieht einen weißen Van an der Ampel stehen, von dem das Sonnenlicht reflektiert wie ein Magnesiumblitz.
    Trudi legt ihr Magazin weg, sieht zu, wie er in seinem Koffer herumsucht. Seine Bewegungen haben eine gewisse Anmut; es sind die eines linkischen Mannes, der gelernt hat, dieses Handicap zu kompensieren, indem er alles langsam tut. Seine trägen Bewegungen katzenhaft, die Schultern leicht hochgezogen, die Hände eine Spur zu groß für seinen Körper, als wüsste er nie so recht, wohin mit ihnen. Seine Beine, vielleicht eine Idee zu kurz für seine Statur, dazu seine Neigung zu einer krummen Haltung und starke Behaarung, ließen ihn gelegentlich leicht affenartig wirken. Aber immer hatte er etwas von einem großen, verletzten Säugetier, eine latente Verwundbarkeit und
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