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Crime

Crime

Titel: Crime
Autoren: Irvine Welsh , Pößneck GGP Media GmbH
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vorbei am Kreisverkehr in Loganburn, um die Ecke in die Carr Road (auf der Britney verschwunden war), und dann eine lange, trostlose Backsteinmauer entlang, hinter der eine Fabrik leer stand. Dann um noch eine Ecke, an ein paar Mietskasernen vorbei und durch das schwarze schmiedeeiserne Tor einer viktorianischen Schule.
    Jeder im Polizeipräsidium wusste, dass die nächsten paar Stunden ausschlaggebend waren, in dieser Zeit entschied sich alles. An alle Streifenwagen ging ein Ruf, nach dem Mädchen und dem Fahrer eines nicht gekennzeichneten weißen Vans Ausschau zu halten. Aber als der Vormittag zum Nachmittag wurde, gab es immer noch nichts Neues, und bis auf Andrea und Stella, die Mädchen, die hinter Britney hergegangen waren, konnten sich nur zwei Nachbarneindeutig erinnern, die Kleine an diesem Morgen gesehen zu haben– eine Mrs.   Doig auf ihrem Weg zur Arbeit und ein Mr.   Loughlan, der seinen Hund ausgeführt hatte.
    Du holtest dir bei Bob Toal die Genehmigung, eine Sonderkommission zusammenzustellen. In einer Zeit, die für Sexualstraftaten sensibilisiert war, würde ein vermisstes Mädchen Schlagzeilen machen, und der medienfeste Toal war sofort einverstanden.– Nimm Amanda Drummond, hatte er gesagt,– und Ally Notman.
    Du sprachst ihm deinen Dank aus. Drummond war gründlich und konnte gut mit Menschen, während Notman einfach unermüdlich war und sich mit Computern auskannte. Er hatte an der Heriot-Watt University einen Abschluss in Informationstechnologie gemacht, genau wie du, aber du warst neidisch darauf, wie gut dein jüngerer Untergebener diese Kenntnisse einzusetzen wusste.
    Dann sagte Toal noch:– Und Dougie Gillman.
    Das war ein kleiner Dämpfer für deinen Elan. Ein paar Jahre zuvor hatte es eine unschöne persönliche Auseinandersetzung mit Gillman gegeben. Aber du hast nichts gesagt, es war schließlich eine Privatsache gewesen. Das konntest du vom Job trennen.
    Du stelltest Harrower und einen weiteren zuverlässigen Streifenbeamten, Kenny McCaig, vom Routinedienst frei. Du belegtest ein Büro im Polizeihauptquartier und begannst die offizielle Ermittlung. McCaig und Harrower gingen weiter Klinken putzen. Notman sichtete das Bildmaterial von Radarfallen und Überwachungskameras, um jeden weißen Van ausfindig zu machen, der sich zur fraglichen Zeit in oder in der Nähe der Carr Road aufgehalten hatte, um wenn möglich die Kennzeichnen herauszufiltern und die Liste der Besitzer mit der Datenbank der Kfz-Zulassungsstelle in Swansea abzugleichen. Drummond und Gillman fuhren mit einem Team Kriminaltechniker zu der Biegung in der Carr Road, an der Britney verschwunden war, um sie noch mal genau unter die Lupe zu nehmen. Weder Forensik noch IT waren Gillmans Stärke, er war ein klassischer Straßenbulle, aber er befolgte kalt deine Anweisungen.
    Und du selbst, du befasstest dich mit den »Aktenkundigen«: der Datenbank für Sexualstraftäter. Überprüftest, wer auf freiem Fuß war, wer auf Bewährung und wer unter Überwachung stand; wem ein hohes und wem ein geringes Rückfallrisiko bescheinigt wurde. Du klicktest dich an jenem Mittwoch im Büro durch die Verbrecherkartei, bis das Licht im Nieselregen über dem Castle Hill fast verschwunden war, und riefst schließlich Trudi an, um ihr zu sagen, dass du etwas später zu eurer Verabredung am Filmhouse kommen würdest. Als du endlich dort warst, brachtest du stotternd eine Entschuldigung vor.– Tut mir leid, Babe, war ein beschissener Arbeitstag. Und dieses Dreckswetter macht’s auch nicht besser.
    Ihr schien es nichts auszumachen.– Ein Glück, dass wir uns schon auf Miami freuen können!
    Aber du freutest dich auf gar nichts. Schon seit Harrowers Anruf hatte dich ein ungutes Gefühl beschlichen; durch deinen Beruf hattest du gelernt, das Böse nicht nur als Gegenwart von etwas Verderblichem, sondern auch als die Abwesenheit von etwas Gutem zu definieren. Die Erfahrung hatte dich gelehrt, dass es nur eines gibt, das schlimmer ist, als ein Familienmitglied durch Mord zu verlieren, nämlich dessen spurloses Verschwinden. Die Folter der Ungewissheit, wenn das Herz jedes Mal bis zum Hals schlug, sobald die Türglocke ging oder das Telefon klingelte, und man in seiner Verzweiflung das Gesicht jedes Fremden auf der Straße mit den Augen verschlang. Der Verstand mochte sich damit abfinden, dass der geliebte Mensch tot sein musste, doch den rebellischen Aufschreider Seele, nein, nicht tot, unmöglich!– brachte man nicht so leicht zum Schweigen.
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