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Crime

Crime

Titel: Crime
Autoren: Irvine Welsh , Pößneck GGP Media GmbH
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erst sehr spät ansprang, nahm unter protestierendem Rasseln und Klappern die Arbeit auf. Du warst gerade dabei, einen Fall für die Verhandlung vorzubereiten. Zwei Jugendliche nach vierundzwanzig Stunden Komasaufen: Der eine sticht den anderen ab. Eine unglückliche Bemerkung war falsch angekommen. Es wurde gedroht, die Drohung wurde erwidert, die Sache eskalierte. Ein Leben vorbei, das andere zerstört. Das alles in der Zeit, die man braucht, um eine Flasche Milch zu kaufen. Du erinnertest dich an den Mörder. Seine angesoffene Großspurigkeit war wie weggeblasen, als er im Verhörraum unterm Neonlicht saß; viel zu jung, gebrochen und verängstigt. Aber der Fall juckte dich nicht, solche Fälle hattest du viel zu oft erlebt.
    Was dir unter die Haut ging, war der Anruf gegen Viertel nach elf. Es war ein Streifenbeamter dran, Donald Harrower, er berichtete dir vom Verschwinden der siebenjährigen Britney Hamil, die sich um 8.30Uhr auf den Weg zur Schule gemacht hatte, aber nie angekommen war. Die Schule hatte die Mutter, Angela Hamil, um zehn Uhr vom Fehlen ihrer Tochter informiert, woraufhin diese zuerst bei Freunden und Verwandten angerufen und dann eine halbe Stunde später die Polizei benachrichtigt hatte. Harrower und ein zweiter Beamter hatten die Frau aufgesucht und befragt, ebenso Britneys Lehrer, einige Nachbarn und Klassenkameraden. Zwei Mädchen hatten Britney noch vor sich auf dem Schulweg gesehen, doch als sie kurz darauf um die Ecke bogen, war Britney verschwunden, und ein weißer Van raste davon.
    – Diese Mädchen, Andrea Jack und Stella Hetherington, waren die einzigen Zeuginnen, und der weiße Van der einzige Wagen, den sie in der Nähe gesehen haben wollen, erklärte Harrower in seinem nasalen Tonfall,– deswegen dachte ich, Sie wüssten gern Bescheid.
    Die Wörter »nicht gekennzeichneter weißer Van« knisterten wie Störgeräusche durch dein Hirn. Der urbritische weiße Van: für einen Polizisten immer gleichbedeutend mit Ärger. Du danktest Harrower und hast dabei gedacht: Bedauerlich, dass seine sauertöpfische, wortkarge Art den Vorgesetzten oft den Blick für seine kluge Sorgfalt verstellte. Der Van war für dich Grund genug, um dir von deinem Vorgesetzten, dem amtierenden Superintendenten Bob Toal, die Erlaubnis zu holen, Ermittlungen im Fall des Verschwindens und der mutmaßlichen Entführung eines Kindes aufzunehmen.
    Du befragtest gemeinsam mit Harrower Nachbarn, Freundinnen, Schulpersonal und Kinder, denen Britney auf dem Schulweg vielleicht begegnet sein könnte. Und Angela. Du weißt noch, wie du die Mutter der Kleinen zum ersten Mal gesehen hast; sie war gerade auf dem Weg nach draußen, ins nächste Einkaufszentrum. Eigentlich hätte sie an diesem Nachmittag bei ihrem Putzjob im Scottish Office sein müssen, erklärte aber, sie habe sich freigenommen, weil Tessa, ihre andere Tochter, eine Lebensmittelvergiftung hätte. Das war die elfjährige Schwester, die Britney normalerweise auf dem Schulweg begleitete. Anstatt Angela aufzuhalten, bewog dich irgendwas, sie zu begleiten. Du folgtest ihr durch das Iceland, wo sie sich mit billigen Burgern, Fischstäbchen, Backfrites und Zigaretten eindeckte. Du ertapptest dich dabei, jeden ihrer Einkäufe kritisch zu beäugen, als sei sie nicht nur schuld an Tessas Lebensmittelvergiftung, sondern auch an Britneys Verschwinden.– Ist sie nicht noch ein bisschen zu klein, um schon allein zur Schule zu gehen?
    – Ich wollte sie ja bringen, aber bei Tessa ging’s wieder losmit dem Brechen. Britney   … wollte nicht zu spät kommen. Hat gesagt, sie wär schon alt genug. Angela kämpfte mit den Tränen, während sie in gelbem Neonlicht ihren Einkaufswagen durch die Gänge schob.– Es ist ja nur ein Weg von fünf Minuten, sagte sie zu ihrer Verteidigung.– Sie werden sie doch finden, oder?
    – Wir tun, was wir können. Tessa war also heute Morgen übel?
    – Aye. Ich war mit den beiden gestern Abend im Burgerladen, dem im Zentrum. Hab ich ihnen spendiert, dann sind wir ins Kino, wir wollten den neuen Harry Potter im Multiplex sehen. Da drin ging’s bei Tess schon los. Ich weiß noch, wie traurig Britney war, als wir rausgehen mussten   …
    – Soso, hast du gesagt und dabei gedacht, dass der verpasste Film wahrscheinlich die geringste Sorge des Mädchens war.
    Du brachtest Angela nach Hause und gingst von dort den Weg zur Schule ab, wobei sich herausstellte, dass man in Wirklichkeit vierzehn Minuten dafür brauchte. Aus der Siedlung raus,
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