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Crime

Crime

Titel: Crime
Autoren: Irvine Welsh , Pößneck GGP Media GmbH
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nicht. Aber lass uns doch den langweiligen Scheiß hinter uns bringen, solange wir noch Jetlag haben, sagt Lennox und wackelt mit dem Telefon.
    – Meinetwegen, gibt Trudi nach,– wir haben ja noch Zeit genug.
    – Braves Mädchen, sagt Lennox, und ihm fällt sofort das sonderbar Deplatzierte dieser Formulierung auf. Lennox kann sie nicht ansehen, als er seinen alten Freund Ginger anruft. Trudi hört den pensionierten Cop in der Leitung, eine laute Reibeisenstimme, aufgeladen mit der gefährlichen Begeisterung wiedervereinigter Schotten.
    Lennox stellt das Telefon weg. Informiert Trudi, dass Ginger sie später abholt, um mit ihnen was trinken und einen Happen essen zu gehen. Er sieht, wie etwas in ihr wegbricht. In die Defensive gedrängt, schaut er rüber zum Tisch. Das Glas Wasser scheint ein paar Zentimeter nach rechts gewandert zu sein.
    Dann Trudis theatralisch resignierter Seufzer:– Ich komm nur mit, wenn du versprichst, dass ihr nicht über Polizeikram redet.
    – Versprochen. Lennox spürt, wie sich seine Gesichtsmuskulatur erleichtert entspannt.– Aber wir sollten erst runtergehen, unseren Cocktail trinken. Der ist aufs Haus. Er nimmt den Gutschein, den er beim Einchecken bekommen hat, zeigt ihn ihr.
    Willkommen in South Beach:
Ein nachmittäglicher Cocktail aufs Haus:
14.00 bis 16.00Uhr.
    – Du solltest mit dem Trinken aufpassen, Ray. Das ist so unvernünftig. Du hast dich bei der Selbsthilfegruppe so gut   …
    Er geht zum Tisch. Aus dieser Perspektive scheint das Glas da zu stehen, wo es hingehört.– Ich will nur aus Geselligkeit was trinken. Ich will nicht dauerrekonvaleszent sein. Ist ja nicht so, als könnte ich hier an Kokain rankommen, sagt er kopfschüttelnd, realisiert dann, wo er ist, und ergänzt halbherzig,– sogar wenn ich es wollte, und ich will es definitiv nicht.
    Augenrollen. Dann versucht sie etwas anderes.– Warum rufst du nicht deine Mutter an? Nur um zu sagen, dass wir gut angekommen sind. Sie wird sich Sorgen machen.
    – Auf gar keinen Fall, sagt Lennox mit Nachdruck.– Komm, gehen wir unseren Cocktail trinken, drängt er und versucht, sich nicht allzu sehr anmerken zu lassen, wie er danach lechzt.
    Lennox war schon beim Einchecken zu dem Schluss gekommen, dass dieses Boutique-Hotel nicht nach seinem Geschmack war. Es waren nicht die glatten Metall-und-Chrom-Flächen, die zahllosen Bilder an den Wänden, die Spiegel mit Draperien und schlanken Kronleuchter, die ihn störten; gegen ein bisschen Luxus und Dekadenz hatte er nichts. Es war ihm einfach zu öffentlich, und als sie nun unten an der Bar ihren Cocktail trinken wollen, wird es schnell sehr voll. Lennox macht kurzen Prozess mit seinem Wodka-Martini. Trudi scheint genauso angespannt zu sein wie er, wenn man danach urteilen kann, wie betont sie tief ein- und ausatmet und ihr Glas jedes Mal so beherrscht auf dem Marmortisch absetzt, dass es nicht das kleinste Geräusch macht. Ihr Verhalten ist für ihn nervtötender als irgendein Gefühlsausbruch, und es zieht ihn nach draußen. Die Leute, Personal und Gäste, produzieren sich wie Models auf dem Catwalk, jeder beobachtet jeden und kultiviert dabei seine einstudierte Blasiertheit. Er guckt zur Tür.–Sehen wir uns ein bisschen die Gegend an, bevor Ginger uns abholen kommt.
    Draußen ist es heiß. Ihm fällt wieder ein, dass der Wettermann im Fernsehen gesagt hat, es sei ungewöhnlich warm für den Winter. Im Januar seien um die 25Grad der Normalfall, aber das Thermometer war auf fast 35Grad geklettert. Lennox schmort. Genauso fühlt er sich. Als wäre er in einem großen Backofen. Sein Schädel ist ein Schmortopf, in dem sein Gehirn brät. Es ist zu heiß, um weit zu laufen. Sie setzen sich auf die Terrasse eines Bar-Restaurants. Eine zahnpastalächelnde Kellnerin reicht ihnen schwungvoll die Karte.
    – Ist das eine Hitze, sagt er träge hinter seiner Sonnenbrille, während er und Trudi al fresco ihren nächsten Cocktail trinken, diesmal einen Sea Breeze. Sie sind nur einen Block weit spaziert, von der Collins Avenue zum Ocean Drive. Jugendliche Urlauber schlendern vorbei und tragen ihre Jugend und ihren Wohlstand zur Schau; gewachste Machoboys mit aufgepumpten Muskeln, kichernde Mädchen mit Schmollmündern in Bikinis und Pareos, ältere Frauen, die mithilfe von Pillen, Skalpell und Chemie den Anschluss zu halten versuchen. Smarte Latinos in weißen Anzügen rauchen kubanische Zigarren, die den gleichen Farbton haben wie ihre Freundinnen. Salsa- und Mamboklänge
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