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Crashkurs

Crashkurs

Titel: Crashkurs
Autoren: Dirk Müller
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viel mehr Geld für einen Fernseher bezahlen. Okay, ohne Globalisierung könnten Sie ihn sich vielleicht auch ohne Kredit leisten, weil Sie im Nürnberger Elektronikwerk diese Fernseher selbst mitproduzieren würden, aber das gehört nicht in diese schöne Diskussion. Globalisierung ist toll. Globalisierungsgegner sind langhaarige Bombenleger, die immer in den schönen historischen Städten randalieren, wo sich die netten Wirtschaftsminister treffen. Und mit diesen Typen wollen Sie ja wohl nichts zu tun haben, oder?!
    Aber fangen wir von vorne an, damit, »wie man dem Lamm beibrachte, den Metzger zu lieben«.
    Die Globalisierung wurde nicht erfunden oder in irgendeinem Brüsseler Hinterzimmer zusammengeschraubt. Die Globalisierung hat sich langsam entwickelt. Durch immer freizügigere Handelsabkommen und bilaterale Verträge (tolles Wort). Die Grenzen zwischen den Staaten wurden immer durchlässiger, besonders für alle Arten von Waren und natürlich für Geld. Anfangs fanden das alle ganz toll. Die Videorekorder wurden immer billiger, weil die Taiwanesen so wenig Gehalt bekommen. Ist doch prima. Na ja, der Taiwanese muss einem nicht leid tun. Bei denen kostet ja alles viel weniger. Der braucht auch nicht so viel. Dazu kamen die tollen Absatzmärkte. In Taiwan brauchen sie ja jetzt auch Maschinen, um die Elektronikartikel herzustellen, die sie uns so billig verkaufen. Na ja, der Taiwanese ist halt ein einfacher Arbeiter. Hightech kann der nicht. Taiwan ist die Werkbank der Welt, aber den Hammer verkaufen wir ihnen.
    Einige Zeit später, nachdem wir uns mächtig über die billigen Walkmen und Sportschuhe gefreut haben, stehen plötzlich befremdliche Meldungen in den Zeitungen. »Grundig schließt Werk in Fürth«, »300 Arbeitsplätze bei … gefährdet«, »Nähmaschinenhersteller Pfaff in Problemen« und so weiter. Die Menschen wurden nachdenklich. Besonders diejenigen, die bis dahin noch Fernseher in Fürth oder Nähmaschinen für Pfaff zusammengeschraubt hatten.
    Sie begannen Fragen zu stellen. Fragen, die für die Konzerne höchst unangenehm waren. Also erklärten die Unternehmen den Menschen ausgiebig die tollen Vorteile der Globalisierung, nämlich dass die Preise sinken und dass dadurch auch ganz viele tolle Arbeitsplätze in Deutschland erhalten bleiben. Nämlich die der Vorstände und Aufsichtsräte. (Na gut, das hat keiner gesagt.)
    Um es drastisch auszudrücken: Die Globalisierung ist ein Segen für die international aufgestellten Konzerne und für alle, die Geld international investieren können. Aber die Globalisierung ist eine Katastrophe für die Masse der Bürger und den kleinen Mittelstand, der nicht mal eben eine Bäckereifiliale in Ho-Chi-Minh-Stadt aufmachen kann. Den internationalen Firmen kann nichts Besseres passieren als eine völlige Öffnung aller Zollschranken. Sie können sich dann in allen Ländern der Erde die optimalen Zutaten zusammenstellen. Die Rohstoffe aus Brasilien werden in einer Fabrik in Vietnam, deren Elemente in China gekauft wurden, von billigen Arbeitskräften zu fertigen Produkten zusammengeschraubt. Diese Produkte werden dann dort verkauft, wo man den höchsten Preis dafür erzielen kann, zum Beispiel in Deutschland. Dass dieser Transfer nicht endlos gutgehen kann, ist mit dem gesunden Menschenverstand zu erkennen. Ich nenne es »Krötenwanderung«: Die Kröten wandern aus unseren Taschen nach Taiwan, China und Brasilien. Aber es wandern keine Kröten zurück. Irgendwann ist der Teich leer.
    Wir müssen uns bewusst werden, dass der Aufstieg der Menschen in Asien einhergeht mit einem Rückgang des Wohlstands im Westen. Hauptursache dafür ist die Globalisierung. Ohne offene Grenzen wäre durchaus ein Prozess möglich, bei dem beide Seiten profitieren.
    Sie müssen sich das bildlich vorstellen: Im Westen haben wir wie in einem Stausee unseren Wohlstand und unsere Werte wie Umweltschutz und Sozialversicherungen aufgefüllt. Getrennt durch eine große Staumauer von der weiten Ebene Asiens und dem Rest der Welt. Durch die Globalisierung wurde die Staumauer entfernt. Unser Wohlstand und unsere Werte strömen in einem großen Schwall in die weite Ebene. Dort steigt der Wohlstandspegel nun an, aber bei uns nimmt er drastisch ab. Das Niveau wird sich eines Tages anpassen, doch da die asiatische Ebene mit 2,5 Milliarden Menschen viel größer ist als unser Stausee, wird dieses Niveau unvorstellbar viel niedriger liegen als heute. Die internationalen Konzerne und auch die
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