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Crashkurs

Crashkurs

Titel: Crashkurs
Autoren: Dirk Müller
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Zeilen schreibe –, müssen sich die Chinesen keine große Mühe geben. Dann haben wir das ohne sie hinbekommen. Das würde zwar auch in China für ziemliche Probleme sorgen, aber anders als der Westen würde der chinesische Drache als Phönix aus dieser Asche aufsteigen: zum einen weil China dank seiner großen Binnennachfrage nicht ganz so abstürzen wird wie der hochverschuldete Westen mit seinen gesättigten Märkten, zum anderen weil sich China wegen all der genannten Strukturen wesentlich schneller und effizienter aus der Situation lösen und dann praktisch konkurrenzlos die Weltführung übernehmen kann.
    Sollte es den Mächtigen in den USA – Europa spielt bei der Aufführung dieses Stücks nur eine Statistenrolle – jedoch gelingen, das Ruder noch mal herumzureißen und mit einer neuen Verschuldungsorgie die Konsumblase noch einmal aufzupusten, könnte sich China gezwungen sehen, den Rohstoff- und Machtkonkurrenten eigenhändig auszuschalten. Das wäre mit einem einzigen öffentlich gesprochenen Satz möglich. Dieser Satz lautet: »We don’t buy American T-Bonds anymore!« – »Wir kaufen ab sofort keine amerikanischen Staatsanleihen mehr.«
    Wir haben gesehen, dass das ganze westliche System vom Dollar abhängt. Von dem unangezweifelten Glauben, dass jeder andere auf dieser Welt den US-Dollar als Zahlungsmittel akzeptiert, und davon, dass die Saudis und Chinesen den Amerikanern immer wieder ihre Staatsanleihen (T-Bonds) abkaufen und den USA somit das Geld zum Verpulvern leihen. Wenn die Chinesen diesen Kreislauf unterbrechen, bricht der US-Dollar binnen weniger Stunden zusammen. Und mit ihm der Glaube der Menschen, dass der US-Dollar immer und überall als Zahlungsmittel akzeptiert wird. Der Dollar fällt auf seinen Papierwert zurück: null. Niemand würde den vollkommen überschuldeten USA dann noch Geld leihen. Sie benötigen täglich 2 Milliarden US-Dollar neue Kredite. Aber auch die auslaufenden Kredite würden nicht verlängert werden. Kaum jemand würde ihnen noch die leeren Versprechen (T-Bonds) abnehmen. Innerhalb weniger Wochen wären die Vereinigten Staaten von Amerika zahlungsunfähig.
    Man kann sagen: China hat Amerika durch geschickte Schachzüge in den letzten fünfundzwanzig Jahren in eine nahezu perfekte Falle gelockt. Die USA sitzen in der Schuldenfalle, und China hat sie im Fadenkreuz mit dem Finger am Abzug. Ich bin nicht sicher, welchem der 36 Strategeme dies am ehesten entspricht, aber es ist genial eingefädelt worden. Ob und wann die Chinesen den Abzug betätigen, kann ich nicht einschätzen, aber in jedem Fall haben sie eine Situation geschaffen, die mit dem Besitz der Atombombe zu vergleichen ist. Mit einem entscheidenden Unterschied allerdings zum atomaren Gleichgewicht des Schreckens: Die USA haben diese wirtschaftliche Atombombe nicht. Sie können den Chinesen weh tun, wie das Gedankenspiel mit den Lebensmittelpreisen gezeigt hat, und der »finanzatomare Fallout« im Fall eines chinesischen Wirtschaftsschlags würde auch für China schmerzhafte Folgen haben, aber China würde nicht mit dem Westen untergehen und wäre in der Folge die einzig verbleibende wirtschaftliche Supermacht.
    Ob eine solche Entwicklung wahrscheinlich ist, wird die Zukunft zeigen. Die Gefahren jedoch sind real vorhanden, und das verdeutlicht einmal mehr, auf welchem unsicheren Untergrund unser Wohlstand und unser Wirtschaftssystem im Westen aufgebaut sind.

    Globalisierung

    Aber gehen wir von der für uns idealen Variante aus: Den Amerikanern gelingt es, das Pferd »Finanzsystem« vor dem Abgrund herumzureißen und im vollen Galopp in die andere Richtung zu preschen. Die Chinesen begnügen sich damit, den Amerikanern ab und an die Folterwerkzeuge zu zeigen, um ihre Interessen weitgehend ungestört verfolgen zu können und einen »finanznuklearen Präventivschlag« zugunsten einer friedlichen Entwicklung zu vermeiden. Wie sieht dann unsere wirtschaftliche Zukunft aus?
    Dazu muss man unterscheiden zwischen der Zukunft der großen Konzerne und der Zukunft der Bürger und des Mittelstands. Seit Jahren wird uns eingetrichtert, dass die Globalisierung eine tolle Sache ist. Überdies unabwendbar. Quasi ein Naturgesetz, gegen das man sich nicht wehren kann. Warum auch? Globalisierung ist doch klasse. Globalisierung bringt doch Arbeitsplätze. Gut, nicht in Mecklenburg, aber doch wenigstens in Bangladesh. Außerdem profitieren wir doch alle davon. Ohne Globalisierung wäre das Leben viel teurer. Sie müssten
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