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Titel: Cover
Autoren: Ich will dich ganz und gar
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begab. Ich
    wollte mir auf diese neuen Erkenntnisse
    über mich, von denen ich nicht die leiseste
    Ahnung hatte, ordentlich die Kante geben.
    Dafür nutzten doch sowieso die meisten
    Leute eine Party: um mal ordentlich zu
    saufen! Gerade, wenn es so ein verlockend
    reichhaltiges Alkoholangebot gab, wie hier.
    Ich stürzte meinen Mojito hinunter und be-
    stellte sofort einen neuen. Mein Blick traf, während ich auf das neue Getränk wartete,
    den von Ryan. Er winkte und lachte, weil ihn gerade ein hübscher junger Mann an der
    Hand zur Tanzfläche zog. Sie tanzten mitein-
    ander und hatten, so wie es aussah, jede
    Menge Spaß.
    »Sind Sie mit dem Auto hier?«, fragte
    eine männliche Stimme hinter mir.
    Ruckartig drehte ich mich um und blickte
    in das Gesicht des Freundes von Shawn.
    »Nein, zu Fuß. Ich bin mein eigenes Pferd,
    weil ich Sattel und Peitsche so liebe!« Damit 26/520
    knallte ich meinen Mojito auf einen Steht-
    isch, ging zu Ryan, drückte ihm einen Kuss
    auf die Wange und ging zur Garderobe.
    Schon war der Mann wieder bei mir und
    berührte meinen Mantel. »Kann ich Ihnen
    behilflich sein?«
    »Nein«, fauchte ich und warf mir den
    Mantel über.
    »Ich habe Ihnen nichts getan.«
    Mit einem Ruck drehte ich mich um.
    »Doch, das haben Sie: Sie sind ein Freund
    von Shawn – und damit haben Sie genug
    Verbrechen begangen!«
    »Dann sind Sie wohl auch eine Verbre-
    cherin?« Die Frage klang nicht hämisch,
    sondern ruhig und logisch.
    Ich ließ den Dialog sacken, nickte schließ-
    lich und sagte: »Ja. Das bin ich wohl. Aber
    ich bin weiter als Sie.«
    »Warum?«
    »Ich bin mir meiner Schuld bewusst!«
    Damit drehte ich mich um und lief durch den
    27/520
    Flur zum Fahrstuhl. Noch ehe ich den Knopf
    gedrückt hatte, war der Mann wieder bei
    mir. »Jetzt warten Sie doch mal. Rennen Sie
    nicht immer gleich weg.«
    »Eigentlich tue ich das nicht. Aber heute
    halte ich es für nötig.«
    Der Fahrstuhl öffnete sich. Der Mann
    stellte einen Fuß hinein.
    »Lassen Sie das!«, fuhr ich ihn an.
    Er zog kurz die Nase hoch und blickte
    wortlos und mit leicht geöffnetem Mund zu
    mir.
    »Was soll das? Hat Shawn sie los-
    geschickt, um mich zurückzuholen oder soll
    ich ihm vielleicht einen Kaffee bringen?
    Nein, jetzt hab ich’s. Sie fanden die
    Geschichte mit dem Sattel so klasse, nun
    wollen Sie mich auch mal zureiten. Nur zu,
    heute ist der Tag der offenen Tür – im wahr-
    sten Sinne des Wortes. Voilà!« Ich breitete
    die Arme mit einer einladenden Geste aus.
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    Erst da zog der Mann den Fuß zurück und
    ließ die Fahrstuhltür schließen.
    Siegessicher kam ich auf die Straße, um
    im Taxi in Tränen auszubrechen. Ich hatte es also nicht einmal bis zur Haustür geschafft.
    Meine Freundin würde sich die Hände re-
    iben,
    von
    so
    einer
    »fantastischen«
    Geschichte zu hören. Endlich mal was
    Neues!

    ***
Ich verriet meiner Freundin nichts.
    Stattdessen hing ich heulend am Telefon mit
    Ryan. Er war sehr interessiert, was den an-
    deren Mann anging. Doch daran hatte ich
    kein Interesse. Shawn war für mich
    gestorben, so auch seine Freunde – mochten
    sie noch so nett sein. Ich traute keinem
    mehr.
    »Und genau das wird dein Problem wer-
    den, Herzchen!«
    »Was meinst du?«
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    »Dass du keinem Mann mehr traust, den
    du nicht kennst. Wie willst du da etwas
    Vernünftiges kennenlernen?«
    »Ich brauche erstmal keinen Mann. Viel-
    leicht werde ich ja lesbisch …«
    »Red’ nicht so einen Unsinn. Entweder
    du bist für die tragende Rolle geboren oder
    nicht. Wenn nicht, Hände weg!«
    Ich malte während des Telefonats kleine
    Kreise auf einen Block. Was hatte das bloß zu bedeuten? Sollte ich vielleicht zu einem Psy-chiater gehen? Vielleicht wäre so einer etwas für mich …
    »Hast du mir zugehört?«, fragte Ryan
    bissig.
    »Nein«, sagte ich ehrlich.
    Er seufzte. »Ich sagte: Geh aus! Geh
    unter nette Leute, treibe Sport.«
    »Reiten?«
    »Jetzt hör aber mal auf!«
    Jetzt seufzte ich. »Na schön. Tut mir leid.
    Aber ich muss gestehen, dass ich mich erst
    30/520
    mal vor Selbstmitleid ein paar Wochen auf
    der Couch lümmeln wollte. Wirklich! Das tut
    mir gut.«
    »Ach, Herzchen. Mach, was du möchtest,
    aber heul’ nicht mehr. Shawn war einfach
    nicht der Richtige und jeder Milliliter Wass-er, der aus deinen Augen kommt, ist
    vergeudet.«
    Ich lachte. »Danke, dass ich durch dich
    wieder ein bisschen Freude finde. Ich denke, was ich machen kann, ist:
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