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Couchgeflüster

Couchgeflüster

Titel: Couchgeflüster
Autoren: Mira Becker
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einer Notrufnummer erzählt, die in ihrem privaten Telefonbuch verzeichnet ist. Ich geh mal suchen», verkündet sie und will sich an mir vorbei Richtung Sprechzimmer drängen.
    Eilig drücke ich ihr mein Glas in die Hand und stürme los. Weitere Erklärungen sind jetzt sowieso unnötig. Ben sitzt gefangen im Aufzug fest.
    Viel schlimmer aber ist, dass er von Mama bewacht wird. Eine Katastrophe!

26
    Nicht mal als Kind bin ich so schnell gerannt.
    «Ben», rufe ich beim Zwei-Stufen-Sprint nach unten. «Ich bin gleich bei dir.»
    «Nelly», höre ich eine gedämpfte Stimme antworten.
    Und dann sehe ich, was geschehen ist. Der Fahrstuhlkorb steckt zwischen der ersten Etage und dem Erdgeschoss fest. Und das einzig Positive an dem unzuverlässigen Museumsstück sind die verglasten Seitenwände, durch die man hineinsehen kann.
    Statt Ben erblicke ich allerdings zuerst einen riesigen Blumenstrauß, den er im Arm hält. Und wie ich beim genaueren Hinsehen feststelle, hat er sich in Schale geworfen. Er trägt einen dunklen Anzug mit weißem Hemd, das ihm ausgesprochen gut steht.
    «Atmen Sie ganz ruhig. Ein und aus. Und keine Panik   …»
    Das könnte von mir sein, denke ich, als ich meine Mutter höre, die auf einer Stufe sitzt und eine Art Treppentherapie abhält.
    Sie empfängt mich mit vorwurfsvoller Stimme. «Antonella! Poltere hier nicht so durchs Treppenhaus. Und mach nicht so einen Lärm. Es ist Sonntag.»
    Keine Begrüßung. Kein Lächeln. Gleich zur Sache. Sie scheint ganz die Alte zu sein.
    «Hallo, Mama. Wie schön, dass es dir wieder gutgeht»,entgegne ich schmunzelnd, beuge mich zu ihr und hauche ihr ein Begrüßungsküsschen auf die Wange. Dann wende ich mich Ben zu. «Halte durch, meine Tante holt Hilfe.»
    Trotz aller Dramatik kann ich mir ein Grinsen jetzt nicht verkneifen. Irgendwie hat das Ganze etwas von einer schicksalhaften Strafe.
    «Wer ist der junge Mann?», mischt sich Mama ein. «Kennst du ihn?»
    «Das ist   … Ben.»
    «Wie Ben? Welcher Ben?» Mama klingt aufgebracht, als hätte ich den Fahrstuhl absichtlich kaputt gemacht.
    Mist. Wenn ich seinen Nachnamen ausspreche, erinnert sie sich vermutlich an ihn. Und dann bin ich geliefert.
    «Äh, dass ist Ben Reu-» Ich räuspere mich, verschlucke den Rest und schaffe es, so heftig zu husten, dass mein Gesicht rot anläuft.
    «Du nuschelst», tadelt mich Mama sofort. «Ich verstehe kein Wort.»
    Hilfesuchend blicke ich mich um.
    «Ben Reuther», ruft Ben durch das Glas und deutet eine kleine Verbeugung an.
    Tja, so viel zu meinem «Versteckspiel».
    Nachdenklich wandert Mamas Blick zwischen Ben und mir hin und her. «Reuther   … Reuther   … Da klingelt was. Sind wir uns schon mal begegnet?», fragt sie und mustert ihn aufmerksam.
    «Ähm, ich glaube nicht. Ben ist nämlich   …» Stotternd versuche ich, das Schlimmste abzuwenden. «Ben ist nämlich   …» Verdammt, wie komme ich jetzt nur aus diesem Schlamassel raus? «Ja   … also Ben wollte   …»
    «Ich bringe die Blumen», ruft Ben, der die unangenehmeSituation offensichtlich durchschaut hat, und hält den Strauß hoch, als wäre er eine vergoldete Trophäe.
    Die Blumen   … Ben als Fleurop-Bote   …
    Genau!
    «Der Strauß ist für dich, Mama. Deshalb bin ich doch auch in deiner Wohnung. Ich wollte   … ähm   … nachsehen, ob bei dir alles in Ordnung ist, und dich gebührend willkommen heißen.»
    «Die Blumen sind für mich?» Mama ist sichtlich irritiert.
    Ich sehe förmlich, wie ihr Hirn arbeitet. Offensichtlich zweifelt sie an dem Aufwand zu Ehren ihrer Rückkehr.
    Auch Ben sieht mich fragend an, da schrillt eine Stimme durchs Treppenhaus.
    «Notdienst ist unterwegs! Durchhalten!»
    Auf Tante Tessa ist Verlass. Ich entspanne mich etwas und nutze die Gelegenheit zum Themenwechsel.
    «Geh doch schon mal nach oben, Mama», schlage ich vor und helfe ihr aufzustehen. «Du willst dich sicher ausruhen? Tante Tessa wird dir eine Tasse Tee kochen.»
    Abrupt zieht sie ihren Arm weg, streicht sich den schmalen Rock glatt und zupft den Kragen ihrer weißen Bluse zurecht.
    «Ausruhen?! Ich bin doch nicht invalide», wehrt sie schnippisch ab. «Und für Tee ist es heute viel zu heiß.»
    Oh, oh, Mama wie eine ältere, hilfsbedürftige Frau zu behandeln ist unverzeihlich.
    «Nein, nein», bemühe ich mich um Schadensbegrenzung. «Ich meine ja auch nur, dass so eine   … ähm   … Sitzung auf der Treppe ziemlich anstrengend sein muss.»
    Sie sieht mich verwundert an und fährt
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