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Couchgeflüster

Couchgeflüster

Titel: Couchgeflüster
Autoren: Mira Becker
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Mutter-Antennen, die jedes noch so schwache Notsignal orten, sie kennt auch alle meine Marotten. Haarezwirbeln ist nur eine davon.
    Für mich ist Britta die beste Freundin, die man haben kann. Wir kennen uns schon seit der Kindheit. Sie ist im Nebenhaus aufgewachsen, und obwohl sie älter ist, durfte ich sie zur Schule begleiten. Später half sie mir, meine Pickel zu überschminken und mich für meine ersten Partys zurechtzumachen. Zeitversetzt erlebten wir die erste Liebe, halfen uns über den unvermeidlichen Liebeskummer hinweg und dienten, wenn nötig, der anderen als Alibi. Als Britta dannin die Filmbranche reinrutschte, ging sie für ein paar Jahre nach München, und unser Kontakt schlief vorübergehend etwas ein. Zu meiner Schande muss ich gestehen, dass es zum größten Teil meine Schuld war, weil ich immer wieder vergaß, mich zu melden. Doch eines Tages, kurz nach der Eröffnung meines Yogastudios, stand sie plötzlich vor mir. Sie meldete sich für einen Kurs an und schickte mir auch noch jede Menge Bekannte und Freunde. Ohne ihre Unterstützung wäre mein Start in die Selbständigkeit sicher nicht so glatt verlaufen.
    Seufzend zeige ich ihr den Brief des Vermieters, den ich unter dem Tresen deponiert habe. Britta liest mit hochgezogenen Brauen.
    «Nelly, ich weiß ja, wie vergesslich du bist.» In ihrem Blick liegt etwas Amüsiertes. «Hat nicht auch Sven deshalb mit dir Schluss gemacht? Du vergisst ja sogar deinen eigenen Geburtstag.»
    «Ach, Geburtstage», winke ich ab. «Daran erinnert mich meine Mutter. Und Sven ist ein spießiger Pünktlichkeits-Freak. Der flippt schon wegen lächerlicher fünf Minuten aus. Sein Leben verläuft genauso langweilig und schnurgerade wie sein exakter Scheitel. Wir wären niemals glücklich miteinander geworden. Wir konnten uns ja nicht mal über die Farbe der Wände einigen.»
    «Aber die Miete nicht zu bezahlen!», fährt Britta vorwurfsvoll fort. «Dafür gibt es doch Daueraufträge, du Träumerin.»
    «So weltfremd, wie du glaubst, bin ich auch wieder nicht. Natürlich werden Miete, Strom und so normalerweise per Einzugsauftrag abgebucht. Der blöde Überziehungskredit ist aber leider am Limit. Die Bank zahlt nicht mehr.»
    Britta ist entsetzt. «Du bist bei deiner Bank so hoch verschuldet?»
    «Das sind doch keine Schulden», beruhige ich sie, «ich habe nur mein Konto etwas überzogen. Das ist völlig normal.»
    «Sobald man das Konto überzieht, nimmt man einen Kredit in Anspruch, und das nennt man dann Schulden, Nelly», klärt mich Britta kopfschüttelnd auf. «Die Banken berechnen ziemlich hohe Zinsen dafür. Und eh du dichs versiehst, wachsen sie dir über den Kopf. Du solltest überlegen, wo du sparen und Kosten reduzieren kannst.»
    «Hab ich doch längst», verkünde ich nicht ohne Stolz. «Valerie, die bis vor kurzem den Vormittagsunterricht gab, habe ich bereits entlassen. Ich gebe jetzt alle fünf Stunden selbst. Einschließlich der ersten, um zehn Uhr morgens. Und da ich ja wieder Single bin, kann ich mich jetzt voll und ganz auf meine Karriere konzentrieren. Es wird schon wieder. Und wegen der Bank   … Na ja   … Sobald sich ein paar neue Mitglieder angemeldet haben, ist dieses alberne Problemchen von der Matte.»
    «Ach ja?» Britta scheint nicht überzeugt. «Mir kamen die Kurse in letzter Zeit eher leer vor.»
    «Ja, leider», stimme ich ihr schwermütig zu. «Seit ein, zwei Monaten flattern mehr Kündigungen als Neuanmeldungen ins Haus. Allein die beiden Vormittagskurse zwischen zehn und zwölf Uhr sind noch gut besucht, von Müttern, deren Kinder in dieser Zeit in der Schule sind. Es darf nur nicht so weitergehen, sonst bin ich   …» Ich beende den Satz nicht, um nichts heraufzubeschwören.
    Erschrocken sieht Britta mich an und lässt sich auf einen der weißen Stühle fallen, die im Vorraum um drei kleineTische stehen. In ihrem pflaumenblauen Outfit passt sie perfekt vor die weiß-lila gestreifte Wand mit der überdimensionalen Hibiskusblüte direkt hinter ihr. Nur dass ihr gerade die gesamte Lebensenergie ausgegangen zu sein scheint.
    «Du meinst   … sonst bist du pleite?», flüstert sie fassungslos und schüttelt ihr weißes Handtuch, als könne sie die benötigten Scheinchen damit hervorzaubern. «Hast du denn keine Rücklagen?»
    Zum Glück ist niemand in der Nähe. So eine peinliche Unterhaltung könnte auch noch die letzten Schülerinnen verschrecken. Dann wäre ich tatsächlich ruiniert.
    «Rücklagen? Machst du Witze?»,
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