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Couchgeflüster

Couchgeflüster

Titel: Couchgeflüster
Autoren: Mira Becker
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nie gedrängt. Eine Berufswahl habe schließlich erheblichen Einfluss auf das ganze Leben, war seine Begründung. Mama dagegen fand, mein Zögern sei Verplempern von kostbarer Zeit.
    Vielleicht gab es wirklich nicht viele Gemeinsamkeiten zwischen meinen Eltern. Aber nach zwei Kindern und vierundzwanzig gemeinsamen Jahren muss es doch Verbindungen geben, oder? Immerhin heiße ich Antonella mit vollem Namen (ich mag es aber nicht, wenn ich so angesprochen werde), und der setzt sich aus den beiden Vornamen meiner Eltern zusammen, Anton und Ella.
    Aber was weiß ich schon von der Ehe. Meine längste Beziehung waren die sechs Monate mit Sven. Mama macht sich manchmal Vorwürfe, dass meine Bindungsunfähigkeit mit der Scheidung zusammenhängen könnte. In solchen Momenten drängt sie mich dann zu einer Therapie. Aber so ein Seelenstriptease ist nichts für mich. Für meine phlegmatische Ader gibt es ohnehin eine ganz plausible Erklärung: Ich kam drei Wochen zu früh auf die Welt. Deshalb schlafe ich auch so gerne. Mein Körper versucht diese letzten wichtigen Wochen im Bauch der Mutter nachzuholen. Phillip behauptet sogar, mein Gehirn sei wegen der Frühgeburt unterentwickelt, und ich wäre deshalb so vergesslich.
    So ein Quatsch: Mein Gehirn stresst sich eben nicht mit Nebensächlichkeiten, sondern sortiert Banalitäten klugerweise aus.
    Das Knurren meines Magens erinnert mich daran, dass der Kühlschrank unverändert leer ist. Na, dann muss es heute mal Junkfood zum Frühstück sein. Einmal im Jahr schadet es bestimmt nicht.
    Eilig schlüpfe ich in mein weißes Sommerkleid (Mama besteht auf ordentliche Kleidung) und die dazu passenden Ballerinas. Dann schnappe ich mir mein magersüchtiges Portemonnaie und verlasse die Wohnung.
    Vorbei an den hundert Jahre alten Markthallen, die sonntags leider geschlossen sind, schlurfe ich Richtung Imbissbude in der Turmstraße. Von der weiß ich, dass sie um diese Zeit schon aufhat.
    Beim Näherkommen weht mir vom
Curry-Eck
der sündige Duft gebratener Würstchen entgegen und lässt mir das Wasser im Mund zusammenlaufen. Und fürs Auge wird auch was geboten: Ein Typ mit breiten Schultern und hamsterbraunenWuschelhaaren steht vor dem Tresen. Sein knackiger Hintern in den engen Jeans ist auf jeden Fall ein aufregenderer Anblick als mein leerer Kühlschrank.
    Als wäre es das Normalste überhaupt, stelle ich mich dicht neben ihn und schiele unauffällig zu ihm rüber.
    Er beendet soeben ein Telefongespräch und bestellt dann sein Essen. «Einmal Curry mit Pommes.»
    Seine sexy Stimme klingt nach einer langen Clubnacht und wenig Schlaf.
    «Für mich auch», rufe ich dem Wurstverkäufer frech zu, als würde ich tatsächlich dazugehören.
    Wie erhofft, wendet sich der Wuschelkopf jetzt mir zu. Er ist gut einen Kopf größer als ich und dürfte so um die dreißig sein. Die Enden seiner hellbraunen Haare sind ausgebleicht. Von irgendeiner Wassersportart, vermute ich – auch wegen der gesunden Gesichtsfarbe und der breiten Schultern. Am besten gefallen mir aber seine kräftige Nase und die kleine Narbe auf der Stirn. Dadurch sieht er nicht wie ein langweiliger Schnösel aus, und sie verleiht ihm irgendwie sogar eine erotische Ausstrahlung.
    Verzückt lächele ich ihn an. Doch irgendwie scheint er mit seinen hellgrünen Augen durch mich hindurchzusehen. Es könnte aber auch ein entsetztes Starren sein. Denn sein Blick haftet an meinem weißen Kleid, als hätte ich mich in eine Gardine gewickelt.
    Vielleicht ist er ein Morgenmuffel wie ich, oder er war überhaupt noch nicht im Bett. So ein süßer Typ ist mir schon lange nicht mehr über den Weg gelaufen. Und genau wie ich muss er Single sein. Denn wer sich an einem Sonntagmorgen allein eine Currywurst gönnt, kann ja wohl kaum eine Freundin haben. Vielleicht wurde er ja genau wie ichgerade erst verlassen. Das würde auch erklären, warum er so abwesend wirkt. Ein kleines Lächeln oder wenigstens eine hochgezogene Augenbraue wäre doch das Mindeste beim Anblick meines Kleids.
    «Macht jenau sechs Euro zusammen.» Der Wurstbrater serviert die Bestellung. «Noch wat zu trinken für euch?»
    «Ähm   … das ist ein Missverständnis», wende ich kleinlaut ein, krame in meiner Börse und lege drei Euro auf den Zahlteller.
    Aus dem Augenwinkel beobachte ich, wie der Wuschelkopf einen Zehn-Euro-Schein obendrauf legt und sagt: «Für mich noch ’ne Cola.»
    Enttäuscht schnappe ich mir meinen Teller und verziehe mich an einen der beiden Stehtische.
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