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Coruum Vol. 1

Coruum Vol. 1

Titel: Coruum Vol. 1
Autoren: Michael R. Baier
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den Ufern des Clunies, mit dem Rücken an einer Abbruchkante des Felsens, der hier bereits um die tausend Meter hoch war und mit der Front ausgerichtet in Richtung eines sehr alten und knorrigen Lindenhains. Nicht weit hinter dem Devils Elbow, der Grenze zwischen Grampian und Tayside, bog ich schließlich nach links von der Hauptstraße ab und folgte dem sich die Berge hochwindenden Schotterweg.
    Ich rollte hier eher dahin, vorsichtig den Schlaglöchern ausweichend, um die nachtblaue Metalliclackierung des Porsche nicht zu ruinieren. Nach ungefähr zwei Kilometern durch hohen, dunkelgrünen Wald mit dichtem Unterholz, kam ich an ein weiß in der Abendsonne strahlendes Torhaus, dessen zweiflügeliges, schmiedeeisernes Gitter geschlossen war. In seinem geschwungenen Bogen, unter einem dunkelbraunen Schindeldach war das Motto des MacAllon-Clans in den Stein gemeißelt:
    Fear no Fear!
    An dieser Stelle begann der innere Kreis des Apholl-Castle-Refugiums. Das Tor öffnete sich langsam bei meinem Näherkommen, und beim Durchfahren grüßte mich der Wachmann, den ich in seinem dunkelgrünorangen Tartan vor dem Hintergrund des Waldes nicht gesehen hatte.
    Hinter dem Torhaus ging der Weg für weitere zehn Minuten wieder in eine asphaltierte Straße über und führte durch einen Restbestand des ursprünglichen, kaledonischen Scots-Pine-Waldes, der früher große Teile der Highlands bedeckt hatte.
    Inmitten dieses Waldstücks befanden sich die über einhundert Jahre alten Gebäude der MacAllon-Whisky-Brennerei mit ihrem charakteristischen, holzschindelgedeckten Turm, in dem die Gerste getrocknet wird. Zusammen mit den Wassern des Clunie, die über einen kleinen Seitenarm hier hergeleitet wurden, verwandelte sich das Gerstenmalz in ein kleines Label MacAllon-Whiskys, der hier von nicht mehr als fünf Mitarbeitern gebrannt wurde. Der Ausschank erfolgte ausschließlich im Kreise der Familie und ihrer Freunde.
    Meine Vorfahren hatten Apholl Castle 1852 von Queen Victoria für treue Dienste erhalten. Mein Vater, Kenneth MacAllon, war seitdem der siebte Chieftain der MacAllons, und ich hatte gute Aussichten, wenn ich weiterhin heil von allen archäologischen Grabungen zurückkehrte, einmal der achte zu werden.
    Kenneth war über fünfundvierzig Jahre beim britischen Militär gewesen, zuletzt als General des schottischen Regiments der Marineinfanterie. Lange Zeit war er als Verbindungsoffizier des Britischen Marine Corps in allen Krisengebieten der Welt mehr zu Haus gewesen als hier, was seiner Familie nicht sehr gefallen hatte. Der Tod meiner Mutter an Krebs hatte diese Abwesenheitszeiten von Kenneth noch verlängert.
    Nach der letzten Kurve der Singletrack-Road rumpelte ich über ein metallenes Cattle-Grid auf eine kleine Steinbrücke, die über einen Seitenarm des Clunie führte. Auf der Brücke thronte eine kleines Brückenhaus mit zwei – eher der Dekoration dienenden – Fallgittern. Die Bäume traten zurück, und ich erreichte auf der anderen Seite ein Zwischenplateau, auf dem sich die jetzt dunkle Silhouette von Apholl Castle mit dem zentralen Rundturm gegen den abendroten Himmel abzeichnete. Einige Fenster waren erleuchtet, und in mehreren aufgestellten schmiedeeisernen Gitterkörben brannten gespaltene Baumstämme und versprühten im leichten Wind ihre Funken.
    Apholl Castle war im typisch schottischen Stil der Highlands aus Granitblöcken errichtet, die an einigen Gebäudeteilen mit weißen Putzflächen ergänzt worden waren. Das Haupthaus und die zwei angrenzenden, größeren Nebengebäude hatten mächtige, graue Schieferdächer. Mit der Hälfte seines Durchmessers in das Haupthaus hineingebaut, ragte der einzige zinnenbewehrte Rundturm von Apholl Castle hoch in den Abend.
    Hier hatten niemals kriegerischen Auseinandersetzungen stattgefunden, dazu war es zu spät erbaut worden und hätte wohl auch einen anderen Entwurf erhalten. Im Vordergrund der Architektur hatten vielmehr ästhetische Gesichtspunkte gestanden, und so war aus Apholl Castle eine der schönsten Wohnburgen in den Highlands, mit einer eigenen kleinen, in die Anlage integrierten Kapelle, geworden.
    Es war kurz nach sieben Uhr und der Evening-Speaker hatte wohl gerade begonnen. Niemand war außerhalb der Gebäude zu sehen und so parkte ich den Porsche neben einem schwarzen Jaguarcabriolet, das bereits vor dem Haupthaus stand. Der Motor verstummte.
    Ich genoss für ein paar Sekunden die wie eine Welle über mich hereinbrechende Stille, bevor ich meine
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