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Coruum Vol. 1

Coruum Vol. 1

Titel: Coruum Vol. 1
Autoren: Michael R. Baier
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und der Zug auf dem Seil bereits zu groß.
    »Stopp!« , schrie er, doch das halbe Wort ging bereits im Wasser unter, als das Seil ihn mit brutaler Gleichmäßigkeit von der Wand wegriss und seinen Kopf Sekunden später unter Wasser zog. Die Taschenlampe hatte er nahe der Panik fallen lassen. Sie erzeugte eine diffuse Lichtblase unter Wasser, auf die Pete langsam zugezogen wurde.
    Dann sah er im trüben Licht der Lampe den Schatten des Felsens, auf den ihn das Seil zuzog. Er ragte schräg aus dem Boden und war äußerst gleichmäßig geformt. Das Seil verschwand unter dem Felsen im Schlamm. Es musste passiert sein, als er mit letzter Kraft versucht hatte, die Mauer zu erreichen.
    Eine wahnwitzige Erkenntnis offenbarte sich ihm.
    Er hatte es selbst dort eingefädelt. Die Zugrichtung des Seils unter dem Felsen hindurch und zurück zur Höhlendecke würde ihn wie einen Keil dort unten festklemmen.
    Pete versuchte sich mit den Füßen auf dem Felsen abzustützen, rutschte jedoch sofort daran ab. Mit beiden Händen drückte er ihn von sich. Seine Finger strichen über ein glattes, reliefiertes Material, keine raue Kalkoberfläche.
    Glatt, warm, Hieroglyphen, sicher die fehlende Hälfte des Mauervorsprungs, schossen ihm Gedankenfragmente durch den Kopf.
    Wärme?
    Er spürte seine Sinne schwinden. Der Drang zu atmen wurde übermächtig. Das Seil zog in mit brutaler Kraft unter den Felsen und presste die letzte Luft aus seinen Lungen. Pete saß fest, Brust und Gesicht dicht an dem warmen Felsen geschmiegt. Mit letzter Kraft ruderten seine Arme umher, wühlten Jahrhunderte alten Schlamm auf und verdunkelten seine Sicht.
    Eine Hand ertastete die versunkene LED-Lampe. Im Reflex riss er sie zu sich.
    Nein!
    Wenige Zentimeter vor sich erkannte er eine Form, die er heute schon einmal entdeckt hatte.
    Die zwei übereinander stehenden Pupillen aus dem lidlosen Auge starrten ihn gefühllos an.
    Ich hab’ was entdeckt! , waren seine letzten, vernebelten Gedanken.

 
2 Donavon
Schottland, Apholl Castle
5. – 6. September 2014
30.396/8/26 SGC
     
     
    Die Warnlampe der Traktionskontrolle blitzte kurz auf, und bevor ich irgend etwas tun konnte, hatte die Elektronik ein Hinterrad des ausbrechenden Hecks unmerklich abgebremst und den Wagen stabilisiert.
    »Ayyye!« Ich pfiff durch die Zähne. Dieses Auto fuhr man wirklich mehr mit dem Hintern als mit dem Verstand.
    Ich sah im Rückspiegel den Kies auf die Fahrbahn spritzen und ging etwas vom Gas. Schottische Landstraßen sind keine Autobahnen und die A 93, auf der ich bei Sonnenschein in Richtung Braemar unterwegs war, war nur eine sehr mittelmäßige Landstraße.
    Es war kurz nach fünf Uhr nachmittags und ich wollte in zwei Stunden in Apholl Castle, dem Sitz des MacAllon-Clans, sein, um den Evening Speaker, der traditionell das Familienabendessen eröffnete, nicht zu verpassen.
    Es herrschte lebhafter Verkehr; vor allem Touristenbusse und Privatfahrzeuge, auf dem Weg zu den wie in jedem Jahr am ersten Samstag im September stattfindenden Highland Games, machten zusätzlich zu den am Straßenrand grasenden Schafen die Straße dicht.
    Mit meinem alten BMW Z4 hatte ich unter guten Bedingungen die Strecke von Edinburgh zum Apholl Castle in knapp drei Stunden geschafft. Doch das war die Vergangenheit.
    Die A 93 wand sich hinter Blairgowrie aus Perth kommend ins schottische Hochland. Die Grampian Mountains lagen dunkel im Nordwesten und ich konnte auf der gewundenen Straße immer nur einzelne Fahrzeuge überholen. Nach einiger Zeit und einer Reihe adrenalinfördernder Überholmanöver gab ich es auf, und rollte eingereiht in der Karawane mit.
    Ich war kurz nach Mittag von meiner Wohnung im Dean Village an den Ufern des Leith aus Edinburgh aufgebrochen. Über die nüchterne Brücke des Forth hatte ich Edinburgh nach Norden, Richtung North Queensferry und Dunfermline, verlassen. Das erste Stück auf der M-90 bis Perth verging in, Handumdrehen, der Porsche hatte Spaß an der Strecke, und der Verkehr war mäßig. Auf der A 93 von Perth Richtung Highlands wurde es schon voller, und hinter Blairgowrie war die Kapazität der Straßen erschöpft.
    Ich lebte seit ungefähr acht Jahren in Edinburgh, wo ich an der Universität von Schottland einem Lehrstuhl für antike Sprachen und Kalendersysteme vorsaß. Meine Begeisterung für die astronomischen und mathematischen Kenntnisse alter Kulturen hatte meinem Lebensweg – nach sechs Pflichtjahren bei der Navy, (mein Vater war sein Leben lang Soldat
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