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Coruum Vol. 1

Coruum Vol. 1

Titel: Coruum Vol. 1
Autoren: Michael R. Baier
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Reisetasche, die meine Tartans für den morgigen Wettkampftag enthielt, vom Beifahrersitz nahm und ausstieg.
    Um nicht mitten in die Rede zu platzen, wählte ich die schwere beschlagene Tür des Nebeneingangs. Auf halbem Weg dorthin wurde sie nach innen aufgezogen, und zwei weiß-braun-schwarz gefleckte Hunde rannten auf mich zu. Ich bekam gerade noch rechtzeitig beide Hände frei, um die stürmischfeuchte Begrüßung der beiden Border Collies meines Vaters abzuwehren.
    »Donavon!« Mein Vater stand in der Tür. »Komm rein, wir warten nur noch auf dich!«
    »Aye!« Ich registrierte den leicht tadeligen Unterton, gab den beiden Collies einen Klaps und nahm meine Tasche wieder auf. Sie begleiteten mich tanzend und bellend auf meinem Weg ins Haus. Mein Vater, Sir Kenneth MacAllon, Duke von Apholl, drückte mich an seine breite Brust, grinsend über das ganze Gesicht, und klopfte mir auf den Rücken.
    »Schön, dass du da bist, Junge. Brian ist heute der Evening Speaker, und wir sollten uns jetzt beeilen, damit er vorher nicht so viel Whisky trinken kann, dass er seinen Text vergisst.«
    Er führte mich Richtung Burgsaal. Auf dem Weg dahin begrüßte ich Gordon, der mit seinen mittlerweile fast siebzig Jahren zum lebenden Inventar von Apholl Castle gehörte und meinem Vater geholfen hatte, mich und meine Schwester nach dem Tod der Mutter aufzuziehen.
    Gordon nahm meine Tasche und meinen Mantel, während ich Kenneth in den Saal folgte, aus dem die Geräusche angeregter Unterhaltung drangen.
    Das Wachs der schweren Holzbohlen im Saal schimmerte im Licht der Wandkerzen, und ein mächtiges Feuer im Kamin an der Querseite des Saales verwandelte die Atmosphäre in ein tanzendes Spiel aus Licht und Schatten. Es war angenehm warm im Burgsaal, wo sich ungefähr fünfundzwanzig Personen stehend oder sitzend in kleinen Gruppen aufhielten. Meine Schwester Megan bemerkte mein Eintreten sofort und erhob sich vom Tisch, um mir mit Marie, ihrer fast einjährigen Tochter und meinem Patenkind auf dem Arm, entgegenzukommen.
    »Donavon«, begrüßte sie mich, drückte mir einen Kuss auf die Wange und Marie in die Arme. »Schön, dass du es geschafft hast, ich kenne jemanden, der gleich ins Bett muss und dich vorher noch sehen wollte.« Mit einem Lächeln trat sie einen Schritt zurück, um die Gelegenheit zu nutzen, ohne den kleinen Quälgeist im Arm einen Schluck aus ihrem Champagnerglas zu trinken. »Bevor ihr euch nachher ins Herrenzimmer zurückzieht, muss ich noch mit dir reden. Karen hat angerufen und aufgeregt versucht, dich zu erreichen.« Sie zwinkerte mir zu.
    Ich fühlte, wie ich rote Ohren bekam. Karen war eine Studienkollegin von mir an der California State University gewesen, war Amerikanerin und lebte heute in San Diego. Wir hatten es mehrfach miteinander versucht, nur um wiederholt an den ausgeprägten Ecken und Kanten unserer Dickköpfe aufeinander zu prallen.
    Megan und Karen hatten sich kennen gelernt, als Megan mich in den Semesterferien in Kalifornien besuchte, und die beiden waren sofort auf einer Linie gewesen.
    Wenigstens verlor ich so die Jahre nach dem Studium Karen nicht aus den Augen, da meine Schwester wenigstens ab und zu mit ihr telefonierte und mich auch über Karens Entwicklung als angesehene Archäologin für die Kulturen Mittelamerikas auf dem Laufenden hielt. Obwohl Karen und ich somit in sehr verwandten Gebieten tätig waren, hatte es seit dem Studium keine beruflichen Kontakte mehr gegeben. Wir hatten uns zuletzt zu dritt vor Jahren in Naples, Florida, getroffen, als Megan an einem Kongress für Kinderärzte teilnahm, bei dem sie sich am Rande mit Karen getroffen hatte und ich als drittes Rad am Wagen für ein paar Tage dort mit Urlaub machte.
    Meine Überraschung war entsprechend groß, als Megan mir jetzt von Karens Anruf berichtete. Bevor ich weiter nachfragen konnte, nahm sie mir Marie wieder aus dem Armen, hielt sie mir demonstrativ vors Gesicht, damit ich ihr einen Gute-Nacht-Kuss geben konnte, und stieg die große Rundtreppe an der Kopfseite des Saales empor, die in den großen Turm führte.
    Ich verdrängte die Gedanken an Karen zunächst und ging tiefer in den Saal hinein, um die übrigen Familienmitglieder zu begrüßen. Es waren Onkel und Tanten, Cousins und Cousinen, Nichten und Neffen. Alles in allem eine sehr liebenswerte schottische Familie, die sich ihre raue Herzlichkeit auch in der modernen Zeit bewahrt hatte. Brian, der Sohn von William, dem Bruder meines Vaters, umarmte mich und
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