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Corkle 1

Corkle 1

Titel: Corkle 1
Autoren: Thomas
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benachrichtigen?«
    »Sie erfahren es als erster.«
    »Und wäre es Ihnen möglich, morgen in unsere Dienststelle zu kommen und Ihre Aussage zu unterschreiben? Ihre Angestellten müßten ebenfalls kommen. Wollen wir sagen, um elf Uhr?«
    »Gut. Sonst noch etwas?«
    Er musterte mich gründlich. Noch in zehn Jahren würde er sich an mein Gesicht erinnern.
    »Nein«, sagte er. »Im Augenblick nicht.«
    Ich bot den drei anderen ebenfalls etwas zu trinken an. Sie schauten zu Wentzel, und der nickte. Sie baten um Kognak und kippten ihn herunter. Es spielte keine Rolle, Karl hatte ihnen nicht den besten eingeschenkt. Wir schüttelten uns ringsum die Hand, und Wentzel marschierte hinaus in den Nachmittag. Ich starrte auf den Tisch in der Ecke, wo Maas und sein Freund gesessen hatten. Jetzt war dort nichts. Nur ein paar Tische und Sessel, die beinahe einladend aussahen.
    Wenn das Geld nicht wäre, sagte ich mir, würde ich verkaufen und nach Santa Fe oder Kalispell gehen und eine Bar aufmachen, bei der das einzige Problem sein würde, an Samstagabenden den alten Jack Hudson wieder auf seine Ranch zurückzuschaffen. Aber es gibt große Unterschiede in der Führung einer Kneipe. Hier im Schatten des Siebengebirges, im violetten Schatten der sieben Hügel, wo einst Schneewittchen und die sieben Zwerge lebten und Siegfried den fürchterlichen Drachen erschlug, war ich mehr oder minder der Sherman Billingsley vom Rhein. Eine öffentliche Institution, Freund und Vertrauter für Minister wie für Rotzlöffel. Respektiert. Sogar bewundert.
    Ich verdiente auch eine Menge Geld und konnte mich wahrscheinlich mit fünfundvierzig zur Ruhe setzen. Die Tatsache, daß mein Partner Spion für Wichtigtuer war, die durch die Welt schwirrten und in Gott weiß welchen Winkeln die Konstruktionspläne für das nächste russische Raumschiff zum Saturn suchten, war nebensächlich – sogar unwichtig. Und die Tatsache, daß mein Lokal in Wirklichkeit unser Lokal war – das des Spions und meines – und die Tatsache, daß sie es nach allem, was ich wußte, als internationale Nachrichtenbörse benutzten, wo die Geheimcodes in Cocktailzwiebeln versteckt waren –, das alles würde in den guten künftigen Zeiten nur als Plauderthema über langen, gutgekühlten Drinks dienen.
    Und die Tatsache, daß zwei maskierte Desperados in die Bar eingedrungen waren, irgendeinen kleinen Mann totschossen und dann, von einem fetten Fremden gefolgt, dem ich in einem Flugzeug begegnet war, davonliefen, würde der Unterhaltung nur einen Hauch von internationalem Glamour und Reiz verleihen: ganz entschieden ein Vorzug. Es war wie das Nachkriegs-Wien im Film, wo Orson Welles herumstrich und so leise und so schnell vor sich hin brummelte, daß man nichts davon verstand, außer daß er nichts Gutes im Schilde führte.
    Da war das Geld. Da waren die guten Wagen. Und die importierten Anzüge, die dicken Steaks, die ausgesuchten Weine, die gratis auf meinen Tisch kamen, die Geschenke freundlicher Besucher von der Mosel, der Ahr und dem Rhein. Und dann war da die Tatsache, daß es in Bonn Frauen in Fülle gab. Bei dieser fröhlichen Überlegung nahm ich das in Gedanken bereits aufgehängte Schild »Zu verkaufen« wieder ab, sagte Karl, er solle auf die Kasse aufpassen, kontrollierte, ob der Küchenchef nüchtern war, und trat auf die Straße hinaus mit dem Ziel, das Apartment einer interessanten jungen Dame namens Fredl Arndt aufzusuchen.

5
    Es war gegen halb sieben, als ich in Fräulein Dr. Arndts Apartment ankam. Es lag in der obersten Etage eines zehnstöckigen Hochhauses und bot einen prächtigen Blick auf den Rhein, das Siebengebirge und die verwitterte Ruine der Burg Drachenfels.
    Ich drückte auf die Klingel, sagte ihr über die fast nicht zu verstehende Sprechanlage, daß ich es sei, und stieß die dicke Glastür auf, als sie den Türöffner betätigte. Sie erwartete mich in der Tür, als ich aus dem Fahrstuhl trat, der an diesem Tag zufällig funktionierte.
    »Guten Abend, Fräulein Doktor«, murmelte ich und beugte mich tief über ihre Hand, eine kontinentale Sitte, die ich an einigen verregneten Nachmittagen unter den wachsamen Augen einer alten ungarischen Gräfin vervollkommnet hatte. Die würdige Dame entwickelte ein Faible für mich, als sie erfuhr, daß ich eine Bar betrieb. Ich polierte meine Manieren auf, während die Gräfin eine beträchtliche Rechnung an der Bar ansammelte. Beiderseitig sehr zufrieden, hatten wir uns voneinander getrennt.
    Fredl lächelte.
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