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Coolman und ich. Voll auf die zwölf (German Edition)

Coolman und ich. Voll auf die zwölf (German Edition)

Titel: Coolman und ich. Voll auf die zwölf (German Edition)
Autoren: Rüdiger Bertram
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angepinselt hat, ist es darin ziemlich dunkel. Nur mithilfe einer Taschenlampe gelingt es mir, mich durch das Chaos zu ihrem Schreibtisch vorzuarbeiten. Eine halbe Stunde später habe ich die Mappe mit den alten Arbeiten gefunden. Ich spare mir die Mühe, die Erdkundeklausur rauszusuchen. Für zehn Euro habe ich ein Anrecht auf alle Arbeiten, finde ich. Das ist quasi so eine Art Pauschale, so wie die All-you-can-eat-Angebote in den Chinarestaurants. Da bezahlt man auch nur einmal und kann sich dafür mit Frühlingsrollen vollstopfen, bis einem schlecht wird.
    Zurück in der Küche, schnappe ich mir den Toast. Ich habe keine Zeit mehr, ihn hier zu essen. Also nehme ich ihn als Pausenbrot mit. Darum sollte sich eigentlich der Alligator kümmern, aber den kann ich unmöglich stören, weil er ja noch mitten in seiner Fortbildung ist. Das höre ich, weil der Fernseher weiter voll aufgedreht ist.
    Als ich den Toast mit Butter beschmieren will, stutze ich einen Moment. Auf der Brotscheibe ist beim Toasten das Bild einer betenden Madonna erschienen. Man kann sie genau erkennen. Sie hat ein ganz zartes Gesicht, lange Haare und ihre Hände sind gefaltet, so als würde sie beten. Sie sieht genauso aus wie Madonnen auf Gemälden.

    Ich habe keine Zeit für solchen Hokuspokus. Ich lege eine Scheibe Käse auf die Madonna und verstaue den Toast in meiner Frühstücksdose. Wenn ich mich nicht beeile, komme ich zu spät zu der Erdkundearbeit, und dann habe ich meine zehn Euro völlig umsonst ausgegeben.
    Als ich schon fast aus der Tür bin, springt der Alligator aus seinem Sessel und versperrt mir den Weg.
    »Zähne geputzt?«
    Ich nicke.
    »Hände gewaschen?«
    Ich nicke.
    »Frühstück eingepackt?«
    Ich nicke.
    Schneider-Degenscharf schaut mich noch einmal scharf an. Dann spuckt sie in ein Stofftaschentuch und wischt mir damit einen Klecks Zahnpasta aus dem Mundwinkel. Nur mit Gewalt kann ich sie davon abhalten, auch noch an meinem Pickel rumzudrücken.
    »Dann ab mit dir!« Der Alligator schiebt mich aus der Tür. »Ich koch heute Mittag auch was Schönes!«
    »Was gibt es denn?«
    »Gekochte Rinderzunge mit Quittensauerkraut! Das wird dir schmecken.«

2. Kapitel
    Klopfzeichen im Klassenzimmer
    Auf dem Schulhof herrscht miese Stimmung. Meine Mitschüler lassen alle die Köpfe hängen. Sie sehen aus wie eine Herde Lämmer, die im Schlachthof darauf wartet, an die Reihe zu kommen. Ich kann das verstehen. Ohne Antis alte Arbeit in der Tasche ginge es mir genauso. Um nicht aufzufallen, mache ich das gleiche besorgte Gesicht wie die anderen. Wenn ich zu entspannt aussehe, denken die noch, ich bin ein Streber, der nur deshalb so gut gelaunt ist, weil er fleißig gelernt hat.
    Hab ich nicht. Ich habe eine Geheimwaffe, und je länger ich darüber nachdenke, desto mehr finde ich, dass die zehn Euro ein echtes Schnäppchen waren. Ich überlege sogar, meine Mitschüler an meinem Glück teilhaben zu lassen. Wenn jeder von denen nur einen Euro für die richtigen Lösungen zahlt, könnte ich dreißig Euro einnehmen. Abzüglich meiner Investition von zehn Euro würde das einen Reingewinn von zwanzig Euro bedeuten. Wenn ich zwei Euro verlange, liegt mein Gewinn bei fünfzig Euro, und wenn ich fünf Euro nehme, könnte ich mir glatt das neue iPhone kaufen.
    Die Aussicht darauf lässt meine Laune weiter steigen, und das macht es immer schwieriger, mit besorgter Miene und schleppendem Gang in unsere Klasse zu schleichen.

    Das stimmt. Daran hatte ich nicht gedacht. Wenn plötzlich alle in der Klasse eine Eins schreiben, ist die Eins nichts wert, und die Maier wird bestimmt auch Verdacht schöpfen. Dann denkt sie sich für alle ihre Klausuren neue Aufgaben aus, und ich kann Antis alte Arbeitshefte gleich ins Altpapier werfen.
    Also behalte ich mein Geheimwissen lieber für mich.
    Oder teile es nur mit ganz besonderen Menschen.
    Zum Beispiel mit Lena, die auf dem Flur direkt vor mir geht, sodass ich ständig auf ihren wippenden Pferdeschwanz gucken muss.
    Das mit Lena ist kompliziert.
    Eigentlich sind wir füreinander bestimmt. Eigentlich aber auch nicht.
    Ich habe unsere Beziehung mal mit einer Achterbahnfahrt verglichen, in der es immer auf und ab geht. Doch das stimmt nicht. Es ähnelt eher dem Aktienkurs einer Fabrik für Schreibmaschinen. Der geht auch immer weiter nach unten, weil die Dinger keiner mehr benutzt, seit es Computer gibt.

    Fakt ist, Lena und ich waren schon so oft zusammen und wieder auseinander, dass ich selbst schon nicht mehr
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