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Coolman und ich. Voll auf die zwölf (German Edition)

Coolman und ich. Voll auf die zwölf (German Edition)

Titel: Coolman und ich. Voll auf die zwölf (German Edition)
Autoren: Rüdiger Bertram
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überrascht. »Und ich dachte, das wäre ein Regenschirm.«

    »Sehr witzig, Brüderchen«, brummt Anti und lässt ihre langen Haare wieder wie einen Vorhang vor ihr Gesicht gleiten. »Soll ich dir den Pickel ausdrücken?«
    »Ich bin doch nicht lebensmüde!«, erwidere ich und stecke mir eine Scheibe Brot in den Toaster.
    »War nur ein Angebot! Wenn du als lebender Streuselkuchen durch die Gegend rennen willst, meinetwegen«, sagt Anti und widmet sich wieder ihrer Zeitung. Mit den Todesanzeigen ist sie durch, deswegen blättert sie jetzt lustlos durch den Wirtschaftsteil.
    »Geld, Geld, Geld!«, murmelt Anti deprimiert. »Immer dreht sich alles nur ums Geld. Das ist echt so was von widerlich!«
    Ich höre nur halb hin, weil ich mit meinen Gedanken woanders bin. Als ich heute Nacht wegen der Erdkundearbeit nicht schlafen konnte, habe ich einen Plan gefasst. Die Maier stellt jedes Jahr exakt die gleichen Aufgaben. Das machen die meisten Lehrer, damit sie nicht so viel zu tun haben und sich besser auf ihre Ferien vorbereiten können.
    »Sag mal, Anti«, beginne ich vorsichtig. »Du hattest die Maier doch vorletztes Jahr auch in Erdkunde. Hast du eigentlich deine alten Arbeiten noch?«
    »Fünf Euro, und sie gehören dir«, antwortet Anti, ohne von ihrer Zeitung aufzublicken.

    COOLMAN hat recht. Ausnahmsweise mal. Ich finde auch, dass es eigentlich Antis geschwisterliche Pflicht ist, mir ihre alten Arbeiten umsonst zu überlassen.
    »Hey, das ist Wucher! Ich bin dein Bruder!«, protestiere ich.
    »Oha!« Anti tippt mit dem Finger auf die Börsenseite in der Zeitung. »Der Preis für alte Erdkundearbeiten ist gestiegen. Das macht dann jetzt zehn Euro!«
    »Aber …«
    »Zehn Euro. Das ist mein letztes Wort, sonst landet der ganze Kram im Altpapier.«
    Das habe ich wieder einmal davon, dass ich auf COOLMAN gehört habe. Ohne seinen geizigen Tipp hätte ich die alten Arbeiten für die Hälfte bekommen.
    Doch was bleibt mir anderes übrig, als Anti den Wucherpreis zu zahlen?
    Wenn ich ihr das Geld nicht gebe, schreibe ich bestimmt eine Sechs. Dann streichen mir meine Eltern das Taschengeld für den nächsten Monat. Das bedeutet ein Minus von fünfzehn Euro in meiner Spardose. Wenn ich Anti die zehn Euro gebe, kann ich meinen Verlust um ein Drittel minimieren, und das klingt trotz allem immer noch nach einem guten Geschäft.
    In diesem Augenblick passieren zwei Dinge gleichzeitig. Mein Brot springt aus dem Toaster, und es klingelt. Das muss die Schneider-Degenscharf sein.
    Anti hat es plötzlich ganz eilig, in die Schule zu kommen.
    »Wo sind denn deine alten Arbeiten?«, brülle ich ihr nach, als sie durch die Gartentür hinten raus verschwindet.
    »In meinem Zimmer! Aber wehe, du machst was unordentlich!«, ruft sie zurück. Dann ist sie auch schon weg.
    Als wenn das möglich wäre! Antis Zimmer sieht schlimmer aus als das Bällchenparadies eines Möbelhauses nach einem verkaufsoffenen Samstag. In solchen Kinderhöllen habe ich ungezählte Stunden meiner Kindheit verbracht, weil meine Eltern in die Sauna gehen und sich den Babysitter sparen wollten. Es gab Samstage, da hat es Stunden gedauert, bis meine Mutter nach der Lautsprecherdurchsage »Der kleine Kai möchte im Bällchenparadies abgeholt werden« endlich erschienen ist, um mich wieder mit nach Hause zu nehmen.
    Ich gehe zur Haustür und öffne. Grußlos marschiert der Alligator an mir vorbei ins Wohnzimmer. Dort lässt er sich in einen Sessel fallen, schaltet den Fernseher an und dreht den Ton voll auf. In einem der Privatsender läuft eine Dokumentation über eine Familie mit acht Kindern, vier Hunden und zweiunddreißig Wellensittichen. In der Familie brüllen sich alle nur an, sogar die Wellensittiche. Dazwischen springt eine Frau vom Fernsehsender herum und fordert alle auf, etwas freundlicher zueinander zu sein. Weil niemand auf sie hört, fängt sie schließlich auch an zu brüllen.
    Wahrscheinlich ist das so eine Art Fortbildungssendung für Frau Schneider-Degenscharf, die sie jetzt unbedingt gucken muss.
    Mir soll es recht sein. Solange sie vor der Glotze hockt, lässt sie mich in Ruhe. Von mir aus könnte das Fernsehen den ganzen Tag über solche Weiterbildungsprogramme zeigen.

    Ich mache mich auf den Weg in Antis Zimmer. Das ist nicht ganz ungefährlich und ziemlich eklig. Sie hat dort überall ihre dreckige schwarze Wäsche auf dem Boden verstreut, und weil sie die Fenster ihres Zimmers mit schwarzer Folie abgeklebt und auch ihre Glühbirne schwarz
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