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Coolman und ich (German Edition)

Coolman und ich (German Edition)

Titel: Coolman und ich (German Edition)
Autoren: Rüdiger Bertram
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ich auf meine Mutter zu. Weil ich nicht sehen kann, was auf dem Boden liegt, stolpere ich dabei über fünf lange Stoffarme. Sie gehören zu einem Krakenkostüm aus der Seeungeheuer-Abteilung nebenan.
    Ich habe nicht den Hauch einer Chance. Ich stolpere und kippe zur Seite. Wenigstens falle ich weich, weil der Granatapfel gut gepolstert ist. Doch die Freude darüber währt nicht lange. Durch den Schwung fange ich an zu rollen, ohne etwas dagegen tun zu können. Und weil der Boden so abschüssig ist, werde ich immer schneller und schneller. Alles dreht sich, während ich einen Kostümständer nach dem anderen abräume, als wäre ich eine Bowlingkugel.
    Längst habe ich jegliche Orientierung verloren. Ich habe keine Ahnung, wo oben oder unten ist, rechts oder links. Das geht noch eine ganze Weile so weiter. Dann steht mit einem Mal alles still. Irgendwer oder irgendetwas hat mich gestoppt. Trotzdem dreht sich in meinem Kopf immer noch alles. Auch das Gesicht, das sich plötzlich über mich beugt. Ehe ich sie erkenne, rieche ich ihren Duft.
    Es ist Lena.
    »Wow! So einen dicken Kürbis habe ich noch nie gesehen.« Lena lacht und hilft mir auf die Beine.
    »Das ist kein Kürbis, das ist ein Granatapfel«, lalle ich, weil mir furchtbar schwindelig ist.
    Ich schwanke und muss mich an Lena anlehnen, damit ich nicht wieder umkippe. Sie scheint nichts dagegen zu haben.
    Verschwommen sehe ich meine Mutter durch den völlig verwüsteten Fundus auf uns zulaufen. Sie kommt nicht besonders schnell voran, weil überall Kostüme auf dem Boden verstreut liegen. Ich ahne, dass ich irgendwie an dieser Verwüstung schuld bin. Irgendwie aber auch nicht. Schließlich war das mit dem Granatapfel nicht meine Idee.
    »Wie kommst du denn hierher?«, frage ich Lena, als ich wieder halbwegs geradeaus denken kann.
    »Ich bin hier, weil ich ein Kostüm für morgen suche«, antwortet Lena.
    »Aber wie kommst du hier rein?«
    »Meine Eltern haben Kontakte«, antwortet Lena kurz.
    »Alles in Ordnung?« Meine Mutter hat uns endlich erreicht und mustert Lena neugierig.
    »Das ist Lena«, stelle ich Lena vor. »Sie geht in meine Klasse.«
    »Findest du nicht auch, dass ein Spargelkostüm Kai viel besser stehen würde als dieser Granatapfel?«
    »Ich kann das schlecht beurteilen. Ich habe Kai noch nie als Spargel verkleidet gesehen«, antwortet Lena diplomatisch.
    »Das solltest du aber! Darin sieht er zum Verlieben aus«, schwärmt meine Mutter.
    »Warum eigentlich nicht?«, sagt Lena und zwinkert mir zu.
    »Auf gar keinen Fall!«, mische ich mich ein. Ich habe das ungute Gefühl, dass der Wortwechsel zwischen den beiden Frauen irgendwie an mir vorbeiläuft. »Ich werde mich weder als Obst noch als Gemüse verkleiden!«
    »Was ist mit Käse?« Meine Mutter lässt einfach nicht locker.
    »Überhaupt kein Lebensmittel! Ich gehe auch nicht als Kotelett oder halbes Hähnchen. Versuch es gar nicht erst.«
    »Schade. Als halbes Hähnchen wärst du bestimmt ziemlich heiß gewesen«, sagt Lena und grinst.
    »Als was gehst du denn?«, frage ich.
    »Als Himbeertörtchen«, antwortet Lena.
    »Wirklich?!«, rufen meine Mutter und ich gleichzeitig.
    Meine Mutter völlig begeistert.
    Ich völlig entsetzt.
    »Lass dich überraschen. Du siehst es morgen noch früh genug. Tschüss!«
    Lena dreht sich um und geht.
    »Ein nettes Mädchen«, sagt meine Mutter, und da hat sie ausnahmsweise recht. »Und ich weiß jetzt auch, als was du morgen gehst.«
    »Kein Lebensmittel!«
    »Nicht direkt. Zumindest nicht bei uns«, weicht meine Mutter aus und zieht mich hinüber zu den Tierkostümen.
    »Die Mädchen werden sich darum reißen, dich küssen zu dürfen. Vor allem die Kleine von vorhin«, sagt meine Mutter, als wir mit dem Wagen nach Hause fahren.

    Ich bin zu schwach, um mich mit
Coolman
zu streiten. Ich bin auch zu schwach, meiner Mutter zu widersprechen. Ich war ja auch schon zu schwach, mich gegen ihren Kostümvorschlag zu wehren.
    Das Kostüm, das sie ausgesucht hat, liegt auf dem Rücksitz. In einer Papiertüte daneben liegt ein Bikini aus glänzenden, tiefschwarzen Krähenfedern. Ich habe ihn im Fundus entdeckt und für Anti mitgenommen. Ich glaube, er wird ihr gefallen.

11. Kapitel
    Ein Frosch zwischen zwei Blumen
    Meine Eltern bestehen darauf, mich persönlich zu dem Kostümfest zu fahren. Sie haben heute keine Vorführung. Auf der einen Seite bin ich froh, dass sie nicht nackt auf der Bühne stehen. Auf der anderen Seite haben sie dadurch Zeit. Viel zu viel Zeit,
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