Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Cool Hunter

Cool Hunter

Titel: Cool Hunter
Autoren: Scott Westerfeld
Vom Netzwerk:
wie in der Politik, wo auch zu viele Leute um zu wenige Posten rangeln und jeder, der den Job noch nie gemacht hat, sich einbildet, er wäre besser als alle anderen.
    Jen zögerte. »Das hört sich irgendwie komisch an.«
    Ich zuckte mit den Schultern. »Es ist bloß ein Job. Du wirst dafür bezahlt, dass du deine Meinung sagst.«
    »Und wir schauen uns Schuhe an?«
    »Wir schauen uns einen Werbespot an. Eine Minute Kino für fünfzig Dollar.«

    Sie blickte in die Strömung des Flusses und beriet sich zwei Sekunden lang mit sich selbst. Ich wusste, was ihr durch den Kopf ging. Beuten die mich aus? Verkaufe ich meine Seele? Ist das nicht totaler Beschiss? Ein Trick? Wer interessiert sich überhaupt für das, was ich denke?
    Alles Gedanken, die ich mir selbst schon gemacht hatte.
    Sie zuckte mit den Schultern. »Hey. Fünfzig Dollar.«
    Ich atmete aus und merkte erst in diesem Moment, dass ich die Luft angehalten hatte. »Genau so sehe ich das auch.«

Kapitel
ZWEI
    Auf der Coolnessprobe waren neben ein paar unbekann ten Gesichtern die üblichen Verdächtigen versammelt. Antoine und Trez, die beide bei Dr. Jay’s, einem Laden für Streetwear in der Bronx, arbeiteten. Hiro Wakata, der sich sein Brett unter den Arm geklemmt und einen Kopfhörer um den Hals hängen hatte, der groß genug war, um von einem dieser Menschen getragen zu werden, die auf dem Rollfeld mit orangen Leuchtstäben Flugzeuge einweisen. Die Silicon-Alley-Crew, angeführt von Lexa Legault, die eine schwarze Nerd-Brille auf- und einen hauchdünnen Laptop mithatte (das Produkt eines bekannten Computerherstellers, der nach einer Obstsorte benannt ist). Außerdem Vivienne de Winter, die sich von der Fifth Avenue in den Slum herüberbequemt hatte, sowie Tina Catalina, auf deren pinkfarbenem T-Shirt ein englischer Spruch stand, der eindeutig von jemanden verfasst worden war, der nur Japanisch sprach. Alles junge, hippe Stadtmenschen wie aus der Kartei einer Castingagentur.
    Ich fühlte mich auf den Treffen der Fokusgruppe immer ein bisschen deplatziert. Die meisten Leute meines Alters geben ihre Meinung umsonst preis und freuen sich fast tot, wenn sich überhaupt jemand dafür interessiert, weshalb sie es niemals in den erlauchten Kreis der bezahlten Fokusgruppenteilnehmer
schaffen. Dementsprechend waren Jen und ich auch die Jüngsten im Raum. Verglichen mit den anderen fielen wir auch klamottenmäßig extrem auf. Jen trug ihren Innovatorinnen-Look und ich meinen Cool-Hunter-Tarnanzug. Mein labelloses T-Shirt hatte die Farbe von getrocknetem Kaugummi, meine Kordhose war grau wie ein Regentag und der Schirm meiner Basecap (Mets, nicht Yankees) zeigte schnurgerade nach vorn. Wie ein Spion, der sich möglichst unauffällig unter die Menge mischt, oder wie jemand, der sich in seine ausgedientesten Klamotten wirft, um seine Wohnung zu streichen, vermied ich es, mich für die Treffen der Fokusgruppe cool anzuziehen. Man geht ja auch nicht betrunken zu einer Weinprobe.
    Antoine knallte mit seinem üblichen Spruch »Hey, Hunter – alles klar, Mann?« seine Faust auf meine, während er Jen abcheckte. Er verzog kurz das Gesicht, als er den Basketball unter ihrem Arm bemerkte, den er offensichtlich für einen zu verkrampften Versuch hielt, Street Cred vorzutäuschen. Als sein Blick auf ihre Schuhe fiel, zog er allerdings respektvoll die Brauen hoch.
    »Nicht unschick, die Schnürsenkel.«
    »Die hab ich aber zuerst gesehen«, informierte ich ihn.
    Ich hatte das Foto schon an Mandy gemailt, aber wenn Antoine sich die Schnürsenkel zu genau ansah, würde sich die Schnürtechnik wie ein hochansteckender Grippevirus in der ganzen Bronx ausbreiten. Das heißt, falls man dort aus irgendeinem Grund nicht immun dagegen war – so genau ließ sich das nämlich nie vorhersagen.
    Antoine hob beschwichtigend die Hände und vermied es anschließend, den Blick unterhalb von Jens Waden zu senken.

    Ehrenkodex unter Dieben.
    Wieder fragte ich mich, warum ich Jen eigentlich mitgenommen hatte. Um sie zu beeindrucken? Viel wahrscheinlicher war, dass sie extrem unbeeindruckt sein würde. Um die anderen zu beeindrucken?
    Aber wen interessierte deren Meinung schon? Okay, mal abgesehen von einer Handvoll multimilliardenschwerer Unternehmen und fünf oder sechs Trendmagazinen.
    »Oh. Neue Freundin, Hunter?« Auch Vivienne Von-und-Zu unterzog Jen einer eingehenden Musterung, allerdings tat sie es auf eine vollkommen andere Weise – ihre blauen Augen glitten kühl über Jens Outfit.
Vom Netzwerk:

Weitere Kostenlose Bücher