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Cool Hunter

Cool Hunter

Titel: Cool Hunter
Autoren: Scott Westerfeld
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es zu diesem Zeitpunkt längst nicht mehr ist.
    Ganz zuletzt kommen die »Stehengebliebenen«. Irgendwie mag ich sie. Hoch erhobenen Hauptes tragen sie ihre Vokuhila-Frisuren spazieren und widersetzen sich tapfer jeder Veränderung – zumindest jeder, die stattgefunden hat, seit sie die Highschool abgeschlossen haben. Einmal alle zehn Jahre packt sie leichtes Unbehagen, wenn sie merken, dass ihre braunen Lederjacken mit den breiten Revers für kurze Zeit cool werden. Aber sie stopfen sich ihr Kiss-T-Shirt in die Jeans und marschieren wacker weiter.
     
    Die unausgesprochene Regel lautete, dass zu den Fokusgruppen bei Mandy ausschließlich Trendsetter zugelassen waren. Oder jedenfalls Leute, die Trendsetter gewesen waren, bevor Mandy sie engagiert hatte. Keine Ahnung, was man wird, sobald man Geld dafür bekommt, trendy zu sein. Ein Cool Hunter? Ein Marktforscher? Ein Trickbetrüger?
    Eine Witzfigur?
    Aber Jen war ganz bestimmt keine Witzfigur, auch wenn sie für ihre Meinung bezahlt worden war. Sie war eine Innovatorin. Und ich hätte damit rechnen müssen, dass sie die Todsünde begehen würde, einen eigenständigen Gedanken zu äußern.
    »Hast du jetzt meinetwegen Ärger bekommen?«, fragte sie mich, sobald wir wieder auf der Straße standen.
    »Nö«, sagte ich. ( Nö ist Hunter-Sprech für Ja .)
    »Ach komm. Ich hab doch gesehen, dass Mandy vor Wut fast ihren Schnuller ausgespuckt hätte.«
    Ich musste über den Vergleich grinsen. »Okay. Ja, ich hab deinetwegen Ärger bekommen.«

    Jen seufzte und starrte auf den mit eingetretenen Kaugummis gesprenkelten Asphalt. »Das passiert mir ständig.«
    »Was passiert dir ständig?«
    »Dass ich die falschen Sachen sage.« In ihre Stimme mischte sich eine Spur von Traurigkeit, was ich auf keinen Fall zulassen konnte.
    Ich holte einen wortschwallgroßen Atemzug. »Du meinst, dass du jedes Mal, wenn du mit Leuten zusammen bist und alle sich einig sind, dass irgendein neuer Film oder eine neue Band total genial ist, das dringende Bedürfnis hast, zu sagen, dass der Film oder die Band total scheiße ist – weil es nun mal die Wahrheit ist – und plötzlich starren dich alle entgeistert an?«
    Jen blieb abrupt vor einem der riesigen Schaufenster des NBA-Stores stehen. Ich blinzelte in die von grellen Scheinwerfern angestrahlte überwältigende Ansammlung von Basketball-Devotionalien der diversen Teams.
    »Ja, kann sein«, sagte sie zögernd. »Ich meine … ja, genau so ist es.«
    Ich lächelte. Ich bin in meinem Leben schon so manchem Innovator begegnet. Diese Leute haben kein leichtes Schicksal. »Und weil deine Freunde damit nicht klarkommen, hältst du lieber von vornherein die Klappe?«
    »Das ist ja das Problem.« Sie drehte sich um und wir bewegten uns durch das Feierabendgewühl weiter Richtung Downtown. »Das mit dem Klappehalten krieg ich irgendwie nicht hin.«
    »Ist doch gut so.«
    »Aber genau deswegen hast du jetzt Stress bekommen, Hunter. «
    »Na und? Dass du das gesagt hast, ändert doch nichts. Den
Spot hätte man aus Zeitmangel sowieso nicht noch mal neu drehen können. Es wäre viel schlimmer gewesen, wenn du gesagt hättest, das T-Shirt von dem Radfahrer wäre nicht eng genug gewesen. Dann hätten die wirklich was unternehmen müssen.«
    »Toll, jetzt fühl ich mich gleich besser.«
    »Jen, mach dir keinen Kopf deswegen. Du warst die Einzige, die was Interessantes gesagt hat. Wir haben alle schon Hunderte von diesen Coolnessproben mitgemacht. Vielleicht haben wir im Lauf der Zeit einfach den nötigen Biss verloren.«
    »Vielleicht gab’s in eurer Fokusgruppe auch eine Fehlende-schwarze-Frau-Konstellation. «
    »Im Ernst?« Ich guckte zu dem Wolkenkratzer hoch, den wir vor ein paar Minuten verlassen hatten, und ließ die Gesichter der anderen Teilnehmer vor meinem geistigen Auge Revue passieren: Alle Stadtteile New Yorks, alle Trendgruppen und sämtliche Wahlkreise waren repräsentiert gewesen. Ich setzte jeden Einzelnen an seinen Platz im Coolness-Diagramm. Einer blieb leer.
    Jen hatte recht. Die Fokusgruppe war eine einzige massive Fehlende-schwarze-Frau-Konstellation gewesen. »Das ist mir gar nicht aufgefallen.«
    »Wirklich nicht?«
    »Wirklich nicht.« Ich musste lachen. »Aber dann ist es doch noch besser, dass du was gesagt hast. Vielleicht war es nicht das, was Mandy hören wollte, aber definitiv etwas, das sie hören sollte .«
    Jen schwieg, als wir die Treppe zur U-Bahn runtergingen, unsere Tickets in die Automaten steckten und uns durchs
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