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Cool Hunter

Cool Hunter

Titel: Cool Hunter
Autoren: Scott Westerfeld
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Wahrscheinlich schon vorher. Er ist Epidemiologe, beschäftigt sich also von Berufs wegen mit allen Arten von Seuchen und verbringt viel Zeit damit, sich erschreckende Diagramme anzuschauen, die den Verlauf von Epidemien darstellen. Diese Diagramme, die alle mehr oder weniger gleich aussehen – nämlich wie die Flugbahn eines Kampfjets, der gerade abhebt –, führen dazu, dass er sich ständig Sorgen um Viren und Bakterien macht.
    »Ja, ich habe mir die Hände gewaschen.« Ich bemühe mich, den Satz jeden Morgen mit der gleichen Stimme zu sagen, wie ein Roboter. Aber mein Vater kapiert es nicht.
    »Freut mich zu hören.«
    Meine Mutter lächelte verhalten und schenkte mir Kaffee ein. Sie ist Parfüm-Designerin, also jemand, der aus einfachen Gerüchen komplizierte bastelt. Ihre Kreationen werden in Geschäften auf der Fifth Avenue verkauft, und ich bin mir ziemlich sicher, dass ich einen Hauch von einem ihrer Parfüms mal an Vivienne Von-und-Zu erschnuppert habe. Was mich damals ziemlich verstört hat.

    »Hast du heute was vor, Hunter?«, erkundigte sie sich.
    »Ich fahre gleich nach Chinatown.«
    »Ach? Gilt Chinatown heutzutage etwa als cool ?«
    Okay. Meine Eltern haben ziemlich wenig Ahnung von meinem Job. Genauer gesagt: gar keine. Wie die meisten Eltern wissen sie nicht, was cool ist, und nehmen mich in der Beziehung auch nicht ernst. Für sie ist »cool« etwas, worüber man sich lustig macht, wie in den alten Komödien, wo sich ein Mann auf der Tanzfläche unter der Achsel kratzt und alle es nachmachen, worauf Achselkratzen zum neuesten Modetanz wird. Mhm, schon klar.
    Meine Eltern haben die nervige Angewohnheit, das Wort »cool« auf eine ganz bestimmte Art zu betonen, wenn sie mit mir reden, als würden sie hoffen, dass ich die Oberflächlichkeit des Ganzen dadurch leichter durchschaue. Vielleicht tun sie es aber auch nur, weil cool für sie eine Fremdsprache ist und sie wie unhöfliche Touristen denken, sie müssten einfach nur lauter brüllen, um verstanden zu werden.
    Immerhin unterschreiben sie brav alle Einverständniserklärungen, die ich als Minderjähriger abgeben muss, bevor multinationale Konzerne mein Gehirn durchleuchten dürfen. Und sie scheinen auch nichts gegen die kostenlosen Klamotten, Handys und anderen elektronischen Geräte zu haben, die mir mit der Post zugeschickt werden.
    »Keine Ahnung, Mom. Ich würde sagen, dass manche Teile von Chinatown cool sind und andere nicht. Ich bin nicht beruflich dort, ich treffe mich mit jemandem.«
    »Ist es jemand, den wir kennen?«
    »Sie heißt Jen.«
    Mein Vater ließ das furchterregende Diagramm sinken, das
er gerade betrachtet hatte, und hob eine Augenbraue. Mom hob beide.
    »Sie ist nicht meine Freundin, falls ihr das denkt«, sagte ich hastig, als mir klar wurde, welchen unverzeihlichen Fehler ich begangen hatte.
    »Nicht?« Dad lächelte. »Und wieso hältst du es dann für nötig, das so zu betonen?«
    Ich stöhnte. »Weil du so ein Gesicht gemacht hast.«
    »Was für ein Gesicht?«
    »Ich hab sie erst gestern kennengelernt.«
    »Wow«, sagte Mom. »Aber sie hat mächtig Eindruck auf dich gemacht, stimmt’s?«
    Ich zuckte mit den Schultern und verdrehte gleichzeitig die Augen – was in alle möglichen Richtungen interpretiert werden konnte –, und hoffte, Dad würde jegliche Rötung meines Gesicht auf einen plötzlichen Ausbruch des West-Nil-Fiebers schieben.
    Meine Eltern und ich haben eigentlich ein wirklich gutes Verhältnis, das nur dadurch gestört wird, dass sie glauben, ich würde große Teile meines Liebeslebens vor ihnen geheim halten. Was okay wäre, wenn es große Teile geheim zu halten gäbe.
    Oder auch nur mittelgroße.
    Während ich hinter meiner Kaffeetasse kauerte, saßen sie schweigend da und warteten geduldig auf meine Antwort. Katastrophalerweise war alles, was mir dazu einfiel:
    »Ja, sie ist echt cool.«
     
    Jen war schon da, als ich kam. Sie trug eine No-Name-Jeans, die weder besonders weit noch besonders eng war, dieselben schwarzen Sneaker mit der Japanische-Flagge-Schnürung,
die sie auch am Tag zuvor angehabt hatte, und ein schwarzes T-Shirt. Ein sehr klassischer Look.
    Ich entdeckte sie, bevor sie mich sah. Die Hände in die Taschen gesteckt, lehnte sie an einem Laternenpfahl und schaute die Straße hinunter. Der Treffpunkt an der Lispenard Street, zu dem Mandy uns bestellt hatte, lag zwischen Chinatown und TriBeCa und war teils Gewerbegebiet und teils Touri-Land. An diesem Freitagvormittag bestand der Verkehr
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