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Cool Hunter

Cool Hunter

Titel: Cool Hunter
Autoren: Scott Westerfeld
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Drehkreuz schoben.

    Auf dem Bahnsteig herrschte um diese Zeit dichtes Gedrängel. Wir standen uns gegenüber, eingequetscht zwischen Anzugträgern, die ihre Jacketts in der Sommerhitze über einen Arm gehängt, und Frauen in Businesskostümen, die ihre hochhackigen Pumps gegen Turnschuhe getauscht hatten. (Welche Innovatorin wohl als Erste auf diese Idee gekommen ist? Jedenfalls hat sie eine Menge malträtierte Füße gerettet.) Jen schaute immer noch auf den Boden, aber ich bemerkte, dass sich ihr Gesichtsausdruck geändert hatte. Ihre gerunzelte Stirn verriet, dass dahinter schwer nachgedacht wurde. Mir kam flüchtig der Gedanke, dass sie wahrscheinlich eines dieser Mädchen war, die kleinen Kindern in der U-Bahn Grimassen schnitt, wenn deren Eltern nicht hinschauten. Und zwar richtig gute Grimassen.
    Jen zog die Nase kraus, weil es in dem stickigen U-Bahn-Tunnel ziemlich abartig roch. »Aber hast du nicht gerade eben noch gesagt, dass es nichts ändern wird?«
    Ich zuckte mit den Schultern. »Nicht was ›Don’t Walk‹ betrifft. Aber vielleicht wird beim nächsten Spot …«
    Mein Handy klingelte. (In der U-Bahn! Selbst auf die Gefahr hin, Schleichwerbung zu machen, muss ich zugeben, dass die Jungs aus Finnland echt gute Handys herstellen.)
    Ich schaute aufs Display: shugrrl.
    Sie verliert keine Zeit , dachte ich.
    Und während ich auf das Handy starrte und mir ziemlich sicher war, meinen Job los zu sein, stellte ich komischerweise fest, dass mir der Job, die Kohle und die Gratisschuhe egal waren. Mich ärgerte bloß, dass Jen alles mitkriegen und sich gleich wieder total mies fühlen würde, weil ich ihretwegen meinen wichtigsten Klienten verloren hatte.

    »Hi, Mandy.«
    »Ich hatte gerade eine Konferenzschaltung. Der Spot geht am Wochenende so raus. Keine Änderungen.«
    »Gratuliere.«
    »Ich hab das, was du und deine Freundin gesagt haben, an den Klienten weitergegeben.«
    Ich hatte schon den Mund geöffnet, um sie darauf hinzuweisen, dass das Ganze nicht meine Idee gewesen war, klappte ihn aber wieder zu. Das hätte jetzt auch nichts mehr gebracht.
    »Sie waren fasziniert«, sagte Mandy.
    Unser Gespräch wurde für zehn Sekunden unterbrochen, weil auf dem anderen Gleis ein Zug an uns vorbeiraste. Jen warf mir einen fragenden Blick zu, den ich mit einem ratlosen Schulterzucken erwiderte.
    Der Zug verschwand ratternd in der Tunnelöffnung.
    »Fasziniert im Sinne von sauer? Fasziniert im Sinne von, sie haben schon einen Killer auf mich angesetzt?«
    »Fasziniert im Sinne von interessiert, Hunter. Sie fanden es gut, dass jemand mal einen originellen Gedanken äußert.«
    »Hey, Mandy, kein Grund, persönlich zu werden. Ich werde bloß dafür bezahlt, Fotos für euch zu schießen.«
    »Ich meine es ernst. Sie fanden das, was ihr gesagt habt, interessant.«
    »Aber nicht interessant genug, um den Spot zu ändern.«
    »Nein, Hunter. Nicht interessant genug, um einen Zwei-Millionen-Dollar-Spot neu zu drehen. Aber es gibt da eine andere Geschichte, bei der sie Unterstützung gebrauchen könnten. Eine Angelegenheit, die eigenständiges Denken erfordert.«
    »Ach ja?« Ich warf Jen einen verwirrten Blick zu. »Um was für eine Angelegenheit handelt es sich denn?«

    »Es geht um etwas, das letzte Woche plötzlich aufgetaucht ist. Die Sache ist ein bisschen merkwürdig, Hunter. Ein ganz großes Ding, aber das musst du dir selbst ansehen. Kein Wort zu niemandem, okay. Wie wäre es mit morgen?«
    »Ich glaub, das lässt sich einrichten. Aber ich will noch mal klarstellen, dass nicht ich derjenige war, der …«
    »Ich warte morgen um halb zwölf in Chinatown, Ecke Lispenard und Church, gleich unterhalb der Canal Street.«
    »Okay.«
    »Bring deine neue Freundin mit, ja? Und seid bitte pünktlich. «
    Mandy legte auf. Ich ließ das Handy in meine Hosentasche gleiten.
    Jen räusperte sich. »Tja, jetzt bist du meinetwegen deinen Job los, oder?«
    »Nein, eigentlich nicht.« Ich stellte mir vor, wie Mandy in Chinatown auf mich warten, mir den Schädel einschlagen und meine in Zement gegossene Leiche dann im Hudson entsorgen würde. »Eigentlich sogar ganz und gar nicht.«
    »Was hat sie gesagt?«
    »Ich glaube, wir sind gerade befördert worden.«
    »Wir?«
    Ich nickte und konnte plötzlich wieder lächeln. »Ja, wir . Hast du morgen schon was vor?«

Kapitel
VIER
    »Hast du dir die Hände gewaschen?«
    Mit dieser ewig gleichen Frage empfängt mich mein Vater morgens am Frühstückstisch, seit ich sprechen kann.
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