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Commissario Montalbano 12 - Die Spur des Fuchses

Commissario Montalbano 12 - Die Spur des Fuchses

Titel: Commissario Montalbano 12 - Die Spur des Fuchses
Autoren: Andrea Camilleri
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und verputzte alles mit Hochgenuss. Die Nacht war tiefschwarz. Nicht weit vom Ufer entfernt befand sich ein Boot mit einer Laterne. Er betrachtete es ganz entspannt, denn jetzt war er sicher, dass auf dem Boot niemand war, der ihn beobachtete.
    Er legte sich hin und begann in einem der schwedischen Romane zu lesen, die er sich gekauft hatte. Es hatte einen Kollegen als Hauptfigur, Kommissar Martin Beck, dessen Art zu ermitteln ihm sehr gefiel. Als er es ausgelesen und das Licht gelöscht hatte, war es vier Uhr morgens.
    Infolgedessen wachte er erst um neun Uhr auf, und das eigentlich auch nur, weil Adelina geräuschvoll in der Küche hantiert hatte.
    »Adeli, bringst du mir einen Espresso?«
    »Ist schon fertig, Dutturi.«
    Er trank ihn voller Genuss in lauter kleinen Schlückchen, dann zündete er sich eine Zigarette an. Als er sie zu Ende geraucht hatte, stand er auf und ging ins Bad. Nachdem er fertig angezogen war, ging er in die Küche, um wie üblich die zweite Tasse zu trinken.
    »Ah, Dutturi, ich hab hier schon die ganze Zeit was, was ich Ihnen geben will«, sagte Adelina. »Was denn?«
    »Das haben die mir in der Reinigung gegeben, als ich zuletzt Ihre Hose abgeholt hab. Die haben das in Ihrer Hosentasche gefunden.«
    Sie hatte ihre Tasche auf einen Stuhl gestellt. Sie öffnete sie, nahm den Gegenstand heraus und wollte ihn Montalbano reichen. Es war ein Hufeisen.
    Während der Espresso sich über sein Hemd ergoss, spürte Montalbano, wie sich erneut der Boden unter ihm auftat. Zweimal innerhalb von vierundzwanzig Stunden, das war einfach zuviel!
    »Dutturi, was ist denn? Sie haben sich ja das ganze Hemd bekleckert!«
    Er konnte den Mund nicht öffnen, starrte immer noch mit weit aufgerissenen Augen auf das Hufeisen, völlig verblüfft, verdutzt, verdattert, verwirrt, wie vom Donner gerührt.
    »Dutturi, machen Sie mir jetzt keine Angst! Was haben Sie denn?«
    »Nichts, nichts«, konnte er gerade noch stammeln.
    Er nahm ein Glas, füllte es mit Wasser und stürzte es in einem Zug hinunter.
    »Nichts, nichts«, wiederholte er Adelina gegenüber, die ihn mit dem Hufeisen in der Hand immer noch voller Sorge ansah.
    »Gib mal her«, sagte er, während er sich das Hemd auszog, »und mach mir noch eine Kanne Kaffee.«
    »Aber ist das denn gut für Sie, soviel Kaffee?«
    Darauf gab er keine Antwort. Er ging im Esszimmer umher wie ein Schlafwandler, und ohne das Hufeisen auch nur für einen Augenblick abzulegen, nahm er den Telefonhörer ab und wählte die Nummer des Kommissariats.
    »Hallo, hier ist das Komis…«
    »Catarella, Montalbano hier.«
    »Was ist, Dottori? Sie hören sich aber merkwürdig an.«
    »Hör zu, ich komm heute Vormittag nicht ins Büro. Ist Fazio da?«
    »Nein, er befindet sich nicht am Ort.«
    »Wenn er kommt, sag ihm, er soll mich anrufen.« Er ging zur Glastür, öffnete sie und trat hinaus auf die Veranda. Dort setzte er sich, legte das Hufeisen auf den Tisch und betrachtete es wie etwas, das er noch nie in seinem Leben gesehen hatte. Ganz allmählich spürte er, wie sein Gehirn wieder zu arbeiten begann.
    Und das Erste, woran er denken musste, waren ein paar Worte von Dottor Pasquano.
    Montalbano, sehen Sie, das ist ein eindeutiges Anzeichen des Älterwerdens. Ein Zeichen dafür, dass Ihre Gehirnzellen langsam zerfallen. Das erste Symptom ist nämlich der Gedächtnisschwund, wussten Sie das? Ist es Ihnen zum Beispiel noch nie passiert, dass Sie etwas tun und im nächsten Augenblick nicht mehr wissen, dass Sie es getan haben?
    Es war ihm passiert. Und wie es ihm passiert war! Er hatte das Hufeisen genommen, es in die Hosentasche gesteckt und es dann völlig vergessen. Aber wann? Und wo? »Hier ist Ihr Espresso«, sagte Adelina und stellte das Tablett mit der Kaffeekanne, der Tasse und dem Zucker auf den Tisch.
    Er trank eine Tasse, kochend heiß und bitter, und sah auf den leeren Strand hinunter.
    Und plötzlich tauchte an diesem Strand ein totes Pferd auf, das seitlich im Sand lag. Und er sah sich selbst, wie er bäuchlings vor dem Tier lag, eine Hand ausstreckte und ein fast vollständig abgelöstes Hufeisen berührte, das herunterbaumelte, nur noch von einem einzigen Nagel gehalten, der zur Hälfte aus dem Huf herausgetreten war… Und was war dann passiert?
    Passiert war, dass irgendetwas … irgendetwas … Ach ja! So war's: Fazio, Gallo und Galluzzo waren auf der Veranda erschienen, und er war aufgestanden und hatte ganz automatisch das Hufeisen in die Tasche gesteckt. Dann war er
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