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Commissario Montalbano 12 - Die Spur des Fuchses

Commissario Montalbano 12 - Die Spur des Fuchses

Titel: Commissario Montalbano 12 - Die Spur des Fuchses
Autoren: Andrea Camilleri
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Erste, was er sah, war ein Pferd. Es lag seitlich auf dem Sand und rührte sich nicht.
    Für einen Augenblick stand er völlig fassungslos da. Er glaubte immer noch zu träumen. Dann wurde ihm klar, dass das Tier auf dem Sand Wirklichkeit war. Aber warum war das Pferd ausgerechnet vor seinem Haus gestorben? Mit Sicherheit hatte es ein schwaches Wiehern von sich gegeben, als es gestürzt war, und das hatte ihn dazu gebracht, im Schlaf den Traum von der Stutenfrau zusammenzufantasieren.
    Er beugte sich aus dem Fenster, um besser sehen zu können. Weit und breit keine Menschenseele. Der Fischer, der jeden Morgen dort unten mit seinem Boot ablegte, war inzwischen zu einem schwarzen Punkt weit draußen geschrumpft. Auf dem festen Teil des Sandstrands, nahe dem Meeressaum, hatten die Hufe des Pferdes eine Reihe von Abdrücken hinterlassen, deren Anfang man nicht ausmachen konnte.
    Das Pferd war von weit her gekommen. Schnell zog er sich Hose und Hemd über, öffnete die Glastür und stieg von der Veranda zum Strand hinunter. Als er unmittelbar vor dem Tier stand und es genauer betrachtete, packte ihn unbändiger Zorn. »Bastarde! Scheißkerle!«
    Das Tier war blutüberströmt, man hatte ihm den Schädel mit einer Eisenstange zertrümmert, der ganze Körper war von einer Reihe brutaler Schläge gezeichnet. An mehreren Stellen klafften tiefe offene Wunden, aus denen Fleischstücke heraushingen. Offenbar war es dem Pferd, obwohl es derart zerschunden war, trotzdem gelungen zu fliehen, und in seiner Verzweiflung war es gerannt, bis es vor Erschöpfung zusammenbrach.
    Montalbano war vor Wut so außer sich, dass er, wenn er einen von denen, die dieses Pferd umgebracht hatten, in die Finger bekommen hätte, ihm genau das gleiche Ende bereitet haben würde. Er folgte den Spuren. Manchmal waren sie unterbrochen, und man sah statt dessen Abdrücke, die daraufhin deuteten, dass das arme Tier auf die Knie gesunken war, nachdem ihm die Vorderläufe versagt hatten.
    Montalbano ging fast eine Dreiviertelstunde, bis er schließlich an die Stelle kam, an der das Pferd massakriert worden war.
    Die Oberfläche des Sands war hier wegen des gewalttätigen Angriffs fest wie der Boden einer Zirkusmanege, auf dem sich überlagernde Schuh- und Hufabdrücke erkennbar waren. Ringsum verstreut lagen da auch ein langes abgerissenes Seil, mit dem sie das Tier gehalten hatten, und drei blutverkrustete Eisenstangen. Er fing an, die Abdrücke der Schuhe zu zählen, was alles andere als einfach war. Er kam zu dem Schluss, dass das Pferd von höchstens vier Leuten getötet worden sein musste. Aber noch zwei weitere hatten, reglos am Rand des Sandstreifens stehend, dem grausamen Schauspiel beigewohnt und dabei die eine oder andere Zigarette geraucht.
    Montalbano kehrte wieder zu seinem Haus zurück und rief von dort aus das Kommissariat an. »Hallo? Hier spricht…«
    »Catarella, Montalbano hier.«
    »Ah, Dottori! Sie sind's? Was ist passiert, Dottori?«
    »Ist Dottor Augello da?«
    »Noch ist er nicht anwesend.«
    »Dann gib mir Fazio, wenn der da ist.«
    »Unverzüglichgleich, Dottori.« Nicht einmal eine Minute verging. »Dottore, da bin ich.«
    »Hör zu, Fazio, komm sofort her zu mir nach Marinella und bring auch Gallo und Galluzzo mit, wenn sie da sind.«
    »Ist was passiert?«
    »Ja.«
    Er ließ die Haustür offen und machte einen langen Strandspaziergang. Angesichts des barbarischen Mords an dem armen Tier hatte ihn blindwütiger Zorn gepackt. Er kehrte zu dem Pferd zurück und setzte sich in den Sand, um es aus nächster Nähe zu betrachten. Sie hatten ihm mit den Stangen auch auf den Bauch geschlagen, vielleicht als das Pferd sich aufbäumte. Dann bemerkte er, dass sich eines der Hufeisen fast vollständig vom Huf gelöst hatte. Er legte sich bäuchlings auf den Sand, streckte einen Arm aus und berührte es. Es baumelte herunter, nur noch von einem einzigen Nagel gehalten, der zur Hälfte aus dem Huf herausgetreten war. In diesem Moment trafen Fazio, Gallo und Galluzzo ein, gingen auf die Veranda, erblickten den Commissario und stiegen die Stufen zum Strand hinunter. Sie sahen das Pferd und stellten keine Fragen. Nur Fazio machte eine Bemerkung. »Es gibt echte Dreckskerle auf dieser Welt!«
    »Gallo, meinst du, du schaffst es, das Auto hierherzubringen und dann am Ufer entlangzufahren?«, fragte Montalbano.
    Gallo grinste süffisant.
    »Was sollte dagegensprechen, Dottore?«
    »Galluzzo, du fährst mit. Wenn ihr den Spuren des Pferdes folgt,
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