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Commissario Montalbano 10 - Die schwarze Seele des Sommers

Commissario Montalbano 10 - Die schwarze Seele des Sommers

Titel: Commissario Montalbano 10 - Die schwarze Seele des Sommers
Autoren: Andrea Camilleri
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Fass aufgefangen werden konnte, überlegte Montalbano, müsste hier eine riesige Pfütze sein, ein See, weil es doch an den beiden vergangenen Tagen heftig geregnet hat. Aber da ist nichts. Wie ist das zu erklären?
    Er spürte so etwas wie einen ganz leichten Stromschlag seinen Rücken entlangrieseln. Das passierte ihm immer dann, wenn er das Gefühl hatte, auf dem richtigen Weg zu sein.
    Er ging zu dem Fass. Da war zwar ein kleines bisschen Wasser, aber nicht so viel, wie darin hätte sein müssen. Sicher war es das, was vom Himmel direkt dort hineingerauscht war.
    Und in diesem Augenblick entdeckte er, dass das Wasser, das zwei Tage und eine Nacht lang ununterbrochen durch die Bruchstelle heruntergestürzt war, einen richtigen Graben am Fuß der Mauer ausgewaschen hatte. Das sah man nicht sofort, weil das Fass den Blick versperrte.
    Es war ein Graben von ungefähr einem Meter Breite. Wahrscheinlich hatte die Oberfläche des lockeren Bodens, der einen unterirdischen Hohlraum abdeckte, unter dem Druck des von oben herabstürzenden Wassers nachgegeben.
    Montalbano nahm Livias Hütchen vom Kopf, warf sich auf die Erde und befand sich mit dem Gesicht praktisch in diesem Graben. Dann rückte er etwas ab und streckte einen Arm hinein, ohne den Grund berühren zu können. Ihm wurde klar, dass der Graben nicht senkrecht abfiel, sondern seitwärts verlief und einer Art leichter Neigung folgte.
    Er konnte sich zwar nicht erklären, warum, aber er war sich absolut sicher, dass der kleine Bruno in diesen Graben geschlüpft und jetzt nicht mehr in der Lage war, da herauszuklettern.
    Er stand auf, rannte verzweifelt ins Haus, ging in die Küche, öffnete den Kühlschrank, nahm den Teller mit den Sardellen, eilte zu der Stelle von vorhin zurück, kniete sich hin und legte die Sardellen ringsum auf den Rand des Grabens.
    Gallo kam in diesem Augenblick dazu und sah, dass der Commissario, der sich den Damenhut wieder auf den Kopf gesetzt hatte, mit schmutziger Brust und schmutzigen Armen auf der Erde saß und auf einen Graben starrte, auf dem er ein paar Sardellen verteilt hatte. Er wunderte sich, er kam sich vor, als wäre er unter die Türken gefallen, einen Augenblick lang plagte ihn der Verdacht, sein Vorgesetzter habe vielleicht den Verstand verloren. Was sollte er tun? Auf ihn eingehen, so, wie man es mit Verrückten macht, um sie bei Laune zu halten? »Schön, dieses Loch mit den Sardellen«, sagte er mit anerkennenden Lächeln, so, als stände er vor einem Meisterwerk moderner Kunst.
    Mit einer herrischen Geste gebot Montalbano ihm zu schweigen. Und Gallo verstummte, aus Angst, der Wahnsinn des Commissario könnte in Raserei ausarten.

Drei
    Fünf Minuten vergingen, beide verharrten regungslos. Auch Gallo beobachtete wie gebannt den mit Sardellen verzierten Graben, angesteckt von der Intensität, mit der Montalbano diesen im Blick behielt. Es war, als funktionierte nur noch ihre Sehkraft, während sie alle anderen Sinne ausgeschaltet hatten, sie hörten nicht den Atem des Meeres, sie nahmen nicht den Duft des Jasmins wahr, der in der Nähe der Terrasse stand. Dann, nach einer Weile, die ihnen wie eine Ewigkeit vorgekommen war, tauchte in dem Graben Ruggeros Kopf auf. Erblickte Montalbano an, gab ein dankbares Miau von sich und machte sich über die erste Sardelle her. »Da soll doch einer…«, rief Gallo, der endlich begriffen hatte.
    »Ich verwette meine Eier«, sagte Montalbano, als er aufstand, »dass der Kleine hier unten ist.«
    »Suchen wir mal nach einer Schaufel!«, sagte Gallo.
    »Vergiss es. Der Erdboden bröckelt doch im Handumdrehen.«
    »Was machen wir also?«
    »Bleib hier und behalt den Kater im Auge. Ich gehe zum Wagen und rufe Fazio an.«
    »Fazio?«
    »Zu Diensten, Dottore.«
    »Hör zu, ich befinde mich mit Gallo im Ortsteil Pizzo von Montereale Marina.«
    »Ich kenne den Ort.«
    »Ich glaube, dass ein kleiner Junge, das Kind von Freunden, in einen tiefen Graben geklettert ist und nicht mehr rauskommt.«
    »Wir sind sofort da.«
    »Nein. Ruf den Kommandanten der Feuerwehr in Montelusa an. Das ist deren Angelegenheit, sag ihm, der Boden wäre ziemlich porös und weich, sie sollen Geräte zum Ausheben und Abstützen mitbringen. Und ganz wichtig: keine Sirenen, kein Aufsehen, die Presse darf davon keinen Wind bekommen. Ich will hier kein zweites Vermicino.«
    (Im Sommer 1981 war dort, in der Nähe von Rom, ein kleiner Junge so unglücklich in einen Schacht gefallen, dass die Feuerwehr ihn selbst nach
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