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Commissaire-Llob 1 - Morituri

Commissaire-Llob 1 - Morituri

Titel: Commissaire-Llob 1 - Morituri
Autoren: Yasmina Khadra
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Für sie ist das Ganze nur Umstürzlerei.
    Unter den Gästen erkenne ich einige hohe Tiere wieder: Dahmane Faid, den Milliardär, ein paar Abgeordnete, den Schriftsteller Sid Lankabout, einige Damen, aufgeputzt wie Christbäume, ein paar junge Mädchen, die selbst den Stengel einer alten Melone wieder hochbrächten … Und inmitten von alledem ich. Wie eine Wanze auf einem fliegenden Teppich.
    Ich kann mir noch so oft vorsagen, daß ich zumindest ehrlich bin, daß mein Gewissen blütenweiß ist und an meinen Ersparnissen kein Blut klebt - nichts zu machen. Wie rechtschaffen und vernünftig ich auch sein mag, neben diesen Leuten da verdiene ich nicht mehr Aufmerksamkeit als ein Fußabtreter.
    Bei meinem Anblick hört Sid Lankabout auf, sich zwischen den Schönlingen um ihn herum aufzuplustern. »Der hat uns gerade noch gefehlt!« lese ich von seinen Lippen ab.
    »Schau an, schau an«, gurrt es hinter meinem Rücken, »ist das nicht unser lieber Herr Kommissar?«
    Ich drehe mich um. Es ist Haj Garne. Beim Anblick seines scheinheiligen Lächelns krieg ich Magenkrämpfe.
    Haj Garne ist einer der gefährlichsten Freibeuter in den hiesigen trüben Gewässern. Als notorischer Perversling, der er ist, brächte ihn sogar ein Auspuffrohr auf allerlei Gedanken. Es heißt, daß unser herausragender Anhänger der Analwissenschaften sich alles reinzieht, was sich bewegt, mit Ausnahme der Uhrzeiger, und alles was aufrecht steht, mit Ausnahme von Meßlatten, überhaupt alles, was man angreifen kann, mit Ausnahme eines Gerichtsprotokolls.
    Seine schleimige Hand streichelt instinktiv mein Handgelenk und nähert sich dann bedrohlich meinem Rückenende. Ich weiche vorbeugend zurück. Mein Alter und meine erschlaffte Haut würden mich nie ausreichend vor seinen fragwürdigen Praktiken schützen.
    »Noch immer so mollig, mein Mäuschen?«
    »Das sind die Nerven.«
    Er fährt mit den Fingern über seinen Schurkenschnurrbart, mustert ausgiebig meine Verkleidung als Bauer im Sonntagsstaat und blickt betrübt drein: »Deine Ehrlichkeit hat dich nicht weit gebracht, lieber Kommissar. Ich hoffe, daß du so halbwegs über die Runden kommst.«
    »Im großen und ganzen.«
    Er kichert. Und mustert von neuem mein altes Jackett, meine zerknitterte Hose, meine ausgetretenen Schuhe: »Dein Problem, Llob, ist die Stagnation. Du bist die gleiche Vogelscheuche geblieben, die du vor dreißig Jahren warst. Wirklich jammerschade. Wann wirst du lernen, über deine Nasenspitze hinauszuschauen?«
    »Meine Nase ist leider zu lang.«
    Er schüttelt den Kopf, verzieht den Mund und grunzt: »Du weißt ja gar nicht, was für eine Jammergestalt du abgibst, Alter. Eines Tages wirst du dich nicht mehr trauen, deinem Spiegelbild gegenüberzutreten. Man spuckt auf keinen vorbeifahrenden Zug. Dabei bekommt man nur seine eigene Spucke ins Gesicht.«
    Er verschwindet.
    Eine Art Gräfin bemerkt mich und deutet mir näherzukommen. Ich sehe mich um, ob nicht noch jemand da ist. Die Gräfin verneint mit der Nasenspitze und zeigt energisch mit dem Finger auf mich. Dann brandet sie mit ihrem Pottwalleib auf mich zu und streckt mir ihre Flosse entgegen.
    »Oh!« frohlockt sie und wiegt sich schlangengleich in den Hüften, »Kommissar Llob, endlich, Sie hier vor mir, in Fleisch und Blut. Ich wollte Sie schon so lange kennenlernen! Wissen Sie eigentlich, daß Sie mein Lieblingsschriftsteller sind?«
    »Das ist mir neu.«
    »Doch, doch. Sie sind der Beste. Sie haben unglaublich viel Talent.«
    »Das kommt daher, daß ich nicht genug Geld habe …«
    »Das stimmt nicht. Das hat damit gar nichts zu tun.« Sie tritt zurück, um mich in Augenschein nehmen zu können. »Was machen Sie denn für ein Gesicht!«
    »Dazu müßte ich erst eines haben.«
    Laut lachend wirft sie den Kopf ins Genick, so weit, daß man fast das Muster ihres Slips erkennen kann, dann nimmt sie mich, gerührt über mein frustriertes Neidhammelgesicht, beim Arm und drückt mich heftig gegen ihren Busen:
    »Hören Sie, Kommissar. Ich plane, einen Gala-Abend bei mir zu geben, um eine Hilfsorganisation zu gründen. Ich würde mich sehr freuen, Sie unter meinen Freunden begrüßen zu können.«
    »Das ist sehr freundlich von Ihnen, Madame …«
    »Lankabout, Fatima Lankabout, die Gattin von Sid. Freunde nennen mich Fa, wie die Kosmetikmarke. Noch etwas, Kommissar. Bitte verzeihen Sie vielmals meine Indiskretion - wir Frauen sind nun einmal so -, aber ganz ehrlich, sind Sie Autodidakt?«
    »Nur autochthon.«
    Sie
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