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Commissaire-Llob 1 - Morituri

Commissaire-Llob 1 - Morituri

Titel: Commissaire-Llob 1 - Morituri
Autoren: Yasmina Khadra
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verschlingt mich mit den Augen. Kein Zweifel, sie ist fasziniert von mir. Aber eher würde ich ein Mausoleum schänden, als ihr den versteckten Teil meines Eisberges zu zeigen. Ich schenke ihr ein keusches Lächeln und beeile mich, zwischen all den hohen Tieren unterzutauchen.
    Der Schwiegersohn von Ghoul Malek überfällt mich mit der Gefräßigkeit eines Ameisenlöwen.
    »Du bist also doch gekommen!« jauchzt er. »Dein Chef war skeptisch, aber ich war mir sicher, daß du auftauchen würdest. Du hast vielleicht deine Prinzipien, aber deine Neugier kannst du nicht im Zaume halten.«
    »Berufskrankheit.«
    »Nun«, meint er, während er mir sein Reich zeigt, »wie findest du es? Gefällt dir mein Ghetto?«
    »Nur keine falsche Bescheidenheit. Im Land der Straffreiheit wird von den Haien erwartet, daß sie den Rachen doppelt voll nehmen.«
    Er lacht, packt mich am Ellenbogen und zieht mich hinter sich her. »Komm, ich stelle dich ein paar Freunden vor. Könnte sein, daß unter ihnen jemand ist, der dir deine Kleider kostenlos reinigt.«
    Ich habe kaum Zeit, meinen Schlips zurechtzurücken, schon führt er mich wie eine surrealistische Trophäe einer Bande von korrupten Beamten vor, die ihre Körperfülle unglaublich stolz zur Schau tragen.
    »Messieurs, ich habe die Ehre, Ihnen den genialsten Polizisten des Landes vorzustellen.«
    Kaum daß sie mir einen Blick schenken, diese Neo-Beys von Algier. Mein ehrwürdiger Vater sagte immer, es gebe keinen schlimmeren Tyrannen als einen zum Sultan aufgestiegenen Eselsführer. Gestern Hirten, heute Würdenträger, haben die Honoratioren meines Landes unglaubliche Reichtümer angehäuft, aber sie werden es niemals schaffen, Volk und Viehbestand auseinanderzuhalten.
    Der Größte von ihnen dreht sich um und murrt: »Ist das dein Held?«
    Der Stämmigste schneidet eine verächtliche Grimasse und fragt mich: »Wie schaffen Sie es, über einer so abscheulichen Krawatte noch Ihr Lächeln zu bewahren, Kommissar?«
    »Dazu brauche ich nur Sie anzuschauen.«
    Ihre Hoheit ist nicht erfreut. »Vorsicht, Sie sprechen mit einem Abgeordneten!« warnt er mich.
    Ich mustere ihn gemächlich von oben bis unten. Wenn er denkt, daß er sich auf seine Immunität als Parlamentspreßwurst mit Hütchen verlassen kann, ist er ein Optimist.
    Mein Gastgeber drängt mich in eine Ecke und liest mir die Leviten: »Sachte, Llob, meine Gäste haben einen langen Arm.«
    »Sie kamen mir doch gleich so schimpansenhaft vor.«
    »Idiot! Ich gebe dir die Chance, gute Beziehungen anzuknüpfen, und du benimmst dich wie …«
    »Ich habe ein Magengeschwür«, unterbreche ich ihn.
    »Na und?«
    »Mein Hausarzt hat mir davon abgeraten, so edles Weißbrot zu essen.«
    »Das schwarze ist dir also lieber?«
    »Genau.«
    »Gut, dann bleib dabei.«
    Spricht’s, wendet sich einem zwielichtigen Bürgermeister zu und läßt mich stehen.
    Ich fühle mich gar nicht wohl in meiner Haut. Ich versuche, mich einzugewöhnen, aber es ist nicht leicht. Diese Feenwelt, von Musik umspült, in die da und dort das schwärmerische Lachen angetrunkener Weibsbilder einbricht, die Wahnsinnskarossen, die im Park wie heilige Kühe herumstehen, der Prunk und die grenzenlose Überheblichkeit der Bonzen, der Vollmond am Himmel, das verheißungsvolle Rascheln des Reichtums - alles an diesem Ort verursacht mir Brechreiz.
    Das Algerien, das ich kenne, ist ganz anders.
    In meinem Land quellen die Friedhöfe über vor Tränen und Blut, die Rechtschaffenen huschen im Schutz der Mauern durch die Gassen, um dem bösen Blick zu entgehen. Hier dagegen, in diesem Taj Mahal revanchistischer Eunuchen, ist alles in Butter. Nicht das geringste Problem, nicht das kleinste Gefühl von Unsicherheit. Die Schurken meiner Heimat haben sich einen abgeschlossenen und keimfreien Mikrokosmos geschaffen. Wenn mir Klettermasten je imposanter als Denkmäler erschienen, dann an diesen Orten des Wohlstands.
    Ich sammle meine Minderwertigkeitskomplexe ein, steige in meine Blechkiste, streife absichtlich den Kotflügel einer dicken Limousine - leider ist es mein Zastava, der etwas abbekommt - und holpere mühsam in Richtung der Anhöhen der Stadt, um wieder durchatmen zu können: in einer Luft, die zwar auch stinkt, aber nicht vor Geld.
     
    3
     
    Ich sitze in meinem verbeulten Lehnstuhl und beobachte, wie allmählich der Morgen heraufzieht. Die Explosionen und Sirenen haben sich die ganze Nacht über gegenseitig angebrüllt. In der Oberstadt brannte ein Lagerhaus nieder. Hinter
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