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Commissaire-Llob 1 - Morituri

Commissaire-Llob 1 - Morituri

Titel: Commissaire-Llob 1 - Morituri
Autoren: Yasmina Khadra
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vierunddreißig Morde, zwei Bände voller Fatwas, einen Harem in jedem Untergrundnest und jeder seiner Finger ein Zepter.
    Wahrhaftig, es sind die Erleuchteten, die das Feuer der Hölle schüren.
    Ich kannte einmal einen kleinen Dealer. Einen ganz und gar abstoßenden Dreckskerl, in der Todsünde war er so in seinem Element wie die Filzlaus in der Unterhose eines Hippies. Heute hat er eine abgesägte Schrotflinte in der Hand und einen Koranvers auf den Lippen und rächt sich munter an allen, die ihm einmal Schwierigkeiten gemacht haben.
    Ob es den verehrten Imamen gefällt oder nicht, falls dieses Miststück je im Paradies stranden sollte, lasse ich mich von einem Klempner kastrieren.
    Beim Pöbel gilt er trotzdem als Märtyrer. Seit der Terrorismus im Namen der Religion antritt, wissen die kleinen Leute nicht mehr wohin. Alles, was nach Fundamentalismus riecht, verunsichert sie. Wie seit jeher lassen sie die Tragödie über sich ergehen und halten sich nicht weiter damit auf. »Nach mir die Sintflut!« sagt schon das alte Sprichwort. Und keine Einsamkeit ist schlimmer als die Einsamkeit des Schiffbrüchigen.
    Vielleicht werde ich eines Tages wieder sorglos durch die Straßen meiner Stadt schlendern können.
    Wird die Nacht mir im Schlaf zärtliche Geheimnisse offenbaren. Werde ich Kinder um mich haben und auf der Nase eine Sonnenbrille, um mich wie auf Kreuzfahrt zu fühlen. Werde ich es mir wieder erlauben können, ins Theater zu gehen, über meine Mißgeschicke zu lachen, oder auch nur meine Milch beim Krämer um die Ecke zu holen, ohne mich vor jedem Gaffer zu fürchten. Aber ich glaube nicht, daß ich meine Mitbürger je wieder mit den gleichen Augen wie früher ansehen werde. Etwas hat das Band zum Heimathafen für immer gekappt. Groll werde ich keinen hegen, dafür ist in meinem Schmerz kein Platz, aber die Schmeicheleien der süßesten Mädchen könnten mich nicht mit denen versöhnen, die ich heute für meine möglichen Totengräber halte.
    Ich werde für meine Freunde nur mehr lauwarme Gefühle aufbringen, und der Nachbar vom selben Stock wird mir so fremd vorkommen wie ein Indianer in Wyoming.
    Die Überlebenden dieses Wahnsinns von einem Krieg werden durch meine Gedanken spuken wie Geister, die aus ihren Gräbern verbannt sind und vor denen sich die Häuser verschließen, die irgendwo zwischen Himmel und Erde schweben, zu schuldbeladen, um sich Gott zu nähern, und zu verrufen, um sich zu den Menschen zu gesellen.
    Nichts wird mehr sein wie zuvor. Die Lieder, die mich einmal begeistert haben, werden nicht mehr zu mir vordringen. Die Brise, die verspielt durch die nächtlichen Buchten streicht, wird mich nie wieder in Träumereien wiegen. Nichts wird mir die Lichtblicke der wenigen Momente des Vergessens aufheitern, denn nach allem, was ich gesehen habe, kann ich niemals wieder glücklich sein.
    Während ich so meine düsteren Gedanken wälze, kommt der Amtsdiener zurück und erinnert mich an die Ungeduld des Chefs.
    Behäbig wie ein Elefant, der sich seines bevorstehenden Todes bewußt ist, wuchte ich meinen Hintern aus dem engen Stuhl, keuche die achtundsechzig Stufen der Stiege bis in den dritten Stock hinauf - der Lift ist ausschließlich für den persönlichen Gebrauch des Chefs bestimmt - und bringe ganz nebenbei wieder mein Rheuma auf Trab.
    Der Chef macht sich hinter seinem Schreibtisch breit. In all dem Luxus sieht er wie ein Denkmal aus. Doch bei genauerer Betrachtung ist er nur eine Schießbudenfigur, die im falschen Zirkuszelt sitzt.
    Er ignoriert meinen ordnungsgemäßen Gruß und schiebt wortlos ein Stück Papier in meine Richtung. »Ich habe keine Zeit, mich drum zu kümmern«, verkündet er mir und vertieft sich wieder ins Feilen seiner Fingernägel.
    »Was ist es denn?«
    »Der Schwiegersohn von Herrn Ghoul Malek …«
    »Der Ex-Star der Republik …? Hat man ihn umgebracht?«
    Empört fährt er auf: »Er feiert die Einweihung seines neuen Wohnsitzes.«
    »Und dafür wendet er sich an die Kripo?«
    »Das ist eine Einladung. Ich kann nicht hingehen. Ich bin verhindert.«
    Weil ich immer noch nicht verstehe, redet er Klartext: »Du sollst mich da vertreten.«
    »Ich habe auch jede Menge Arbeit«, protestiere ich, während mir bei dem Gedanken daran speiübel wird, mich bei diesem mondänen, meineidigen Schuft einzuschmeicheln, den ich wie selten jemanden verachte.
    »Das ist ein Befehl!« Daraufhin dreht er samt Sessel ab und präsentiert mir einen Rücken von der Breite der Berliner Mauer.
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