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Commissaire-Llob 1 - Morituri

Commissaire-Llob 1 - Morituri

Titel: Commissaire-Llob 1 - Morituri
Autoren: Yasmina Khadra
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So stell ich sie mir jedenfalls vor, in der Hoffnung, auch ihn eines Tages stürzen zu sehen, obwohl ich ja überzeugt bin, daß Wunder nur etwas für fromme Christen sind.
     
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    Ich stöbere eine Stunde lang in meinem Kleiderfundus und kann schließlich doch nur eine clowneske Krawatte finden, die noch aus der Zeit vor der Verstaatlichung der Kohlenwasserstoffwerke stammt.
    Mina betrachtet mich im Spiegel. Von Zeit zu Zeit streicht sie eine rebellische Locke in meiner Mähne glatt, schnippt mit dem Finger ein Staubkorn von meiner Weste, sie ist so sanft, so aufmerksam, viel zu verliebt, um in mir den losgelassenen Bauerntölpel zu sehen, den ich aber trotzdem ziemlich glaubwürdig verkörpere.
    »Macht dich jünger«, meint sie.
    Möglich: der Anzug stammt noch aus der Zeit, als sich die Revolutionen, die die Regierung mit der Geschicklichkeit eines Taschenspielers für uns aus dem Ärmel schüttelte, gegenseitig das Feld streitig machten. Damals machte der billige Tergalstoff einen zum angepaßten Sozialisten, und die Demagogen schätzten ihn, selbst wenn ihr eigener glänzender Alpakastoff fast schon an Ketzerei grenzte.
    Ich steige in meine Rostlaube und brause nach Hydra, dem schicksten Viertel von Algier. In diesen wechselvollen Zeiten erinnert es an eine verbotene Stadt. Kein Fundamentalistenbart hat hier je auch nur eine Mimose gestreift, kein Pulverdampf je die Süße seines Glückes getrübt. Die Krösusse des Landes verleben hier mit vollem Wanst und ewig habgierigem Blick ihre Pension.
    Algeriens Kriege zeichnet jene unergründliche Besonderheit aus, daß sich die Krieger immer darin täuschen, wer ihre eigentlichen Feinde sind.
    Nach seinem Gehaltszettel - angeblich ist er Funktionär - zu schließen, hat der Schwiegersohn von Herrn Ghoul Malek gerade so viel, um sich von Brötchen ernähren und sich ein Dutzend Unterhosen pro Fünfjahresplan kaufen zu können. Trotzdem steht seine neue Bleibe dem Club Med in nichts nach: über dreihundert Quadratmeter, mit Lampions, Girlanden und Ballons bestückt, die so groß sind wie die der Brüder Montgolfier. Es gibt sogar einen Parkplatz, speziell für diesen Anlaß eingerichtet. Funkelnde Luxuskarossen, soweit das Auge reicht. Ich parke meinen alten Zastava zwischen zwei Mercedes. Als ich aussteige, habe ich das Gefühl, daß meine Blechkiste geschrumpft ist.
    Zwei Riesen tauchen auf, um sich zu vergewissern, daß ich nicht aus Lesotho komme. Sie überprüfen die Gästeliste und stellen zu ihrem Bedauern fest, daß mein Name darauf steht.
    Einen Moment lang versinke ich staunend in den Anblick des Günstlingspalastes: ein Erdgeschoß, das jeden Emir von Kuwait vor Neid erblassen ließe, zwei Etagen, von denen jede mich einzeln umhaut. Nichts als Marmor aus Übersee, eine einzige mörderische Provokation!
    Ich halte eine Schweigeminute und denke daran, was die Widerstandskämpfer einst geschworen haben, gedenke der hingemordeten Intellektuellen, jener Märtyrer des Wissens, und an meine eigenen Ideale. Dann erklimme ich mit dem Mut der Flucht nach vorn wie der Delinquent, der das Schafott besteigt, eine Freitreppe á la Hollywood.
    Ein Hanswurst mit dem Getue eines importierten Zeremonienmeisters nimmt mich mit einer Miene in Empfang, als bekäme er am frühen Morgen ein Strafmandat. Beim Anblick meiner Aufmachung springen ihm fast die Augenbrauen aus dem Gesicht.
    »Für Dienstboten ist der Hintereingang da«, erklärt er mir förmlich.
    »Und was treibst du dann hier vorn?«
    Als er merkt, daß ich stur bleibe, klatscht er geheimnistuerisch in die Hände. Drei widerwärtige Kerle mit bulligen Schädeln und Backenknochen, die die Stoßstangen jedes Geländewagens einschüchtern könnten, tauchen plötzlich vor mir auf.
    »Kommissar Llob«, bremse ich schleunigst ihren Ansturm.
    Das trifft den Zeremonienmeister hart. Er stöhnt bestürzt auf: »Armes Algerien!«
    Der Salon ist fast genauso groß wie meine Verbitterung. Mein Magengeschwür beschließt spontan, wieder zu wachsen. Es sind viele Leute da. Jeder trägt seinen Rang zur Schau wie einst sein väterlicher Stallknecht den Sattel seines Herrn. Ich versuche, sie mit Pinguinen zu vergleichen, wie sie da stehen, in ihren strengen Smoking gezwängt, aber es gelingt mir nicht. Sie sind so schön, so elegant, so glücklich. Kein Zweifel, denen da gehört die Welt: für sie allein geht die Sonne auf. Der Krieg, der das Land mit seinen Verwüstungen überzieht, traut sich nicht bis zu ihren Ländereien vor.
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