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Commissaire-Llob 1 - Morituri

Commissaire-Llob 1 - Morituri

Titel: Commissaire-Llob 1 - Morituri
Autoren: Yasmina Khadra
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gehört. Wir haben die tapfersten Soldaten der Welt und die mutigsten Frauen, und unter unseren Nachkommen finden sich die schrecklichsten Monster des Planeten. Mäßigung halten wir für Unsinn, für »Appetitlosigkeit«. Vielleicht sind wir deshalb so unbezähmbar wie unvernünftig.
    Währenddessen glauben wir weiterhin, daß eine Schubumkehr möglich ist, daß von einem Moment zum nächsten die Hölle der Menschen dem Paradies Allahs Platz machen wird, daß mit einem Mal Djazai’r wieder Djazai’r sein wird, das heißt, ein Ort, an dem zwar nicht alles eitel Wonne ist, aber wo es sich trotzdem ganz gut leben läßt - ein wenig drunter und drüber, aber dafür in vollen Zügen. [ Algerien]
    Ein knausriger Regen netzt die Chaussee.
    Das ist der Moment, den Ex-Kommissar Dine ausgewählt hat, um sich meiner zu erinnern: »Llob, mein heißgeliebtes Fäßchen«, tönt er am anderen Ende der Leitung, »ich hoffe, ich hab dich nicht geweckt!«
    »Ich bin im Büro.«
    »Eben darum, dort schläft es sich besser … Ich war bei dir zu Hause. Man hat mir gesagt, daß du das Weite gesucht hast.«
    »Die Gegend wurde allmählich zum Schießstand.«
    »Soso! Haben die Heckenschützen dich jetzt im Visier!«
    »Was willst du, du Pensionist? Soll ich dir helfen oder dich zum Teufel schicken?«
    Dine räuspert sich hüstelnd und fragt: »Interessiert dich mein Fall noch immer?«
    »Könnte sein. Wieso hast du deine Meinung geändert?«
    »Wegen Tahar Djaout ! [ Algerischer Journalist und Schriftsteller, 1993 ermordet] Er hat gesagt: Wenn du redest, stirbst du. Wenn du schweigst, stirbst du. Also rede und stirb.’«
    »Ich bin in vierzig Minuten bei dir.«
    Ich erreiche die verkommene Siedlung mit einer Viertelstunde Verspätung. Rund um das Hochhaus, in dem Dine wohnt, stehen Polizeiwagen. Der Anblick des Krankenwagens läßt mir das Blut in den Adern gerinnen.
    »Scheiße, Scheiße, Scheiße! Sie haben ihn erwischt!«
    Einige Polizisten machen mir Zeichen umzukehren. Der Brigadier erkennt mich und läßt die Absperrung zurücksetzen, damit ich durchkann.
    »Zwei Terroristen haben versucht, einen Kollegen zu liquidieren«, erklärt er mir.
    Ich springe aus dem Auto. Zu meiner großen Erleichterung steht Dine aufrecht im Treppenhaus, eine 7,62er in der Faust. Auf den Stufen bluten zwei verrenkte Körper ihr Gift aus, der eine mit einer sabbernden Mohnblüte auf der Brust, der andere mit einer seltsamen Sommersprosse zwischen den Brauen.
    »Llob, cheri, entweder ist das ein Zufall, oder du wirst abgehört.«
     
    18
     
    Die Nacht kehrt im wehenden Galopp zurück, ihr schwarzer Umhang bläht sich im Wind, und die Lichter der Stadt stäuben wie Funken unter ihren Hufen.
    Dine und ich haben uns für die Klause von Da Achour entschieden. In ihrer Abgeschiedenheit kann man sich konzentrieren und die Akten mit kühlem Kopf entstauben.
    Wir haben die Abschriften verglichen, sind unsere Informationen noch einmal durchgegangen, haben die Videokassetten durchgesehen. Die Bilder, die vor meinen Augen vorüberziehen, die Gesichter, die aus dem Dunkel auftauchen, die Hände, die im Schatten geschüttelt werden, das alles schneidet mir den Atem ab.
    Die meisten der Fundamentalisten sind in den Salons der Neureichen ein und aus gegangen und mit dem Räderwerk der höheren Sphären bestens vertraut. Der eine war Leibwächter eines Generaldirektors, jetzt ist er Emir einer Horde von Kannibalen. Der andere war Chauffeur eines Neo-Beys, jetzt überschwemmt er das Land mit subversiven Traktaten.
    Mit jeder neuen Erkenntnis beschleicht mich stärker dieses Gefühl, das dich lähmend bei der Gurgel packt, wenn du merkst, daß das Licht am Ende des Tunnels nichts anderes ist als der Widerschein der Hölle.
    »Von Anfang an«, berichtet Dine, »war mir der Tod von Abbas Laouer verdächtig. Der Bankier war ein Hypochonder. Seine Krankengeschichte war lückenloser als jeder Fahrtenschreiber, sein Lebensablauf so geregelt wie eine Schweizer Uhr. Alle sechs Monate eine Untersuchung. Kein Gramm Fett zuviel, keine Kalorie zuwenig. Er war geradezu prädestiniert, den Rekord an Langlebigkeit zu brechen.
    Im Nightclub haben sie mir verboten, mich seinem Leichnam zu nähern. Haj Garne ging sogar so weit, den Durchsuchungsbefehl zu zerreißen. Ich, der ich gedacht hatte, ich hätte ihn weichgekocht, mußte feststellen, daß ich viel zuwenig ausgekocht war.
    Es war das erste Mal, daß ich in diesen Höhen fahndete. Ein Polizist, der dreißig Jahre damit verbracht
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