Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Comin 2 get u

Comin 2 get u

Titel: Comin 2 get u
Autoren: Simon Packham
Vom Netzwerk:
sie mir einfach zurück, ja?«
    Ich versuchte, den Ordner zurückzuerobern, doch sie hielt ihn fest wie ein Hund seinen durchweichten Tennisball. »Was ist denn das Problem? Warum willst du nicht, dass ich das lese?«
    Die Wahrheit schlüpfte heraus, bevor ich mich selbst kontrollieren konnte. »Weil du hinterher nicht sagen sollst, er war ein Feigling. Weil du nicht sagen sollst, er war genau wie ich.«
    Abby rang wieder nach Luft. »Bitte, ich
brauche
einfach etwas zu lesen. Dann geht’s mir besser. Ich werde kein Wort sagen, versprochen!«
    Sie nickte dankbar, zog ihre Beine an und balancierte Großvaters Geschichte auf ihren Knien. Sie begann zu lesen.
    Und plötzlich wurde mir bewusst, dass ich keine Angst mehr hatte. Was auch immer mir Abby angetan hatte, das war alles Vergangenheit. Endlich sah ich, was sie wirklich war. Sie war nicht der Imperator, sie war nur ein anderer verängstigter Mensch.
    13.45   Uhr
    Wir mussten mindestens eine halbe Stunde in der Zelle gewesen sein, bevor ein »anonymer Hinweisgeber« Mr Catchpole auf unseren Aufenthaltsort aufmerksam gemacht hatte. Er kochte vor Wut, als er die Zellentüröffnete und uns vorfand: Abby, die Großvaters Geschichte zum wahrscheinlich sechsten Mal las, und meine Wenigkeit, das Gesicht voller Chipskrümel.
    »Was in Gottes Namen ist in euch gefahren?«
    Abby sah inzwischen besser aus. »Sie haben uns eingesperrt, Mr Catchpole.«
    »Ich bin nicht total naiv, wisst ihr«, sagte er und schwenkte seine Tesco-Tüte in unsere Richtung. »Habt ihr in meinem Sozialkundeunterricht überhaupt nicht zugehört? Hat keiner von euch beim Rollenspiel zum Thema Teenagerschwangerschaft mitgemacht?«
    »Das stimmt aber«, schniefte Abby. »Wir waren gefangen. Ich habe nichts anderes getan, als die Kriegsgeschichte seines Großvaters zu lesen.«
    »Ja, na gut, ich glaube dir«, sagte Mr Catchpole, der offensichtlich bemerkt hatte, wie durcheinander sie war. »Warum bringt ihr euch nicht ein bisschen in Ordnung und dann sehen wir zu, dass wir loskommen. Da draußen warten fünfzig plündernde Präpubertierende, die den Geschenkeladen terrorisieren.«
    Wir folgten ihm zurück durch das Schiff, vorbei am noch immer anhaltenden Gebrabbel von Vera Lynch und Churchill, als ich plötzlich eine verschwitzte Hand auf meiner Schulter spürte.
    »Er war kein Feigling.«
    »Was?«
    »Dein Großvater«, sagte Abby. »Er war kein Feigling, du Trottel.«
    »Was meinst du?«
    »Hat deine Mummy dir noch nie vom ›Überlebenden-Syndrom‹ erzählt?«
    Alle johlten, als wir die Landungsbrücke erreichten.
    »Überlebenden-was?«
    »Überlebenden-Syndrom«, sagte Abby und versuchte, sich vor den Paparazzi der achten Klasse zu schützen, die sich gegenseitig ihre Handys mit Kamera wegschnappten. »Davon spricht man, wenn sich ein Mensch schuldig fühlt, weil er ein traumatisches Ereignis überlebt hat.«
    Das Geschrei und die Pfiffe wurden immer lauter.
    »Manchmal werfen sie sich selbst vor, dass sie nicht alles dafür getan haben, denjenigen zu helfen, die es nicht geschafft haben.«
    Vor unseren Füßen landete ein Hagel von Red-Bull-Dosen.
    »Der Freund deines Großvaters ist gestorben. Was hätte er für eine Wahl gehabt? Er hätte ohne ihn gehen können oder er wäre selbst gestorben. Aber das macht ihn nicht zu einem Feigling.«
    Sie stimmten den Hochzeitsmarsch an, als Mr Catchpole uns über die Landungsbrücke führte wie ein erschöpfter Brautvater. Sie hatten ihre Merkzettel in kleine Stücke gerissen und Konfetti hergestellt und sicher würde es nicht lange dauern, bis die »Hochzeitsfotos« in der Schule die Runde machten.
    Abby war mit jedem Zentimeter die errötende Braut. Sie wirkte so gestresst, dass sie mir fast leidtat. Aber ich muss ehrlich sagen, dass es einer der glücklichsten Momente meines Lebens war. Denn was immer als Nächstes passierte, ich wusste, dass mein Leben nie wieder so schlimm sein würde. Und ich konnte es nicht erwarten, das Großvater zu erzählen.
    16.05   Uhr
    Trotz des traurigen Titels ist »Old Man Blues« eigentlich ein lebhaftes Stück. Es dröhnte aus meinem iPod, als ich die
Abflughalle
betrat. Die Arme zu Joe Nantons Posaunensolo schwenkend und genießend, was sich wie der erste richtige Sommertag anfühlte, passte das Lied genau zu meiner Stimmung. Es sah wahrscheinlich so aus, als wäre ich im Krieg gewesen (Miss Stanley hatte darauf bestanden, dass mir ein Attest ausgestellt wurde, aus dem ersichtlich wurde, dass ich eine Kopfverletzung
Vom Netzwerk:

Weitere Kostenlose Bücher