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Come in and burn out - Denglisch

Come in and burn out - Denglisch

Titel: Come in and burn out - Denglisch
Autoren: Soeren Sieg , Jan Melzer
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über Heilkunde und Verwaltung bis zu den Monaten: Aus dem Februar sollte der »Hornung« werden, aus dem April der »Ostermond«. Auch an Goebbels, dem Propagandaminister der Nazis, übte der Verein später Kritik: Er solle sich doch bitte »Werbeminister« nennen. Und die Konzentrationslager in »Zwangslager« umtaufen.
     
    Nach dem Zweiten Weltkrieg kam die dritte übermächtige Weltsprache zu uns: Englisch. Schon
Cowboy
,
Comic
und
Cocktail
waren nicht nur Wörter, sondern ein Lebensgefühl. Erst recht
Flower Power
und
Petting
in den 60ern mit ihrem Motto:
Make Love not War
. In den 90ern beschleunigte sich die Denglifizierung rasant. Und es gab eine entscheidende Neuerung: Heute sprechen wir englische Wörter, die wir übernehmen, auch englisch aus – wodurch sie auf Dauer als Anglizismen kenntlich bleiben. Unsere Großväter liebten den »Jatz«, wir hören »Dschääs«. Wer weiß schon, dass Pullover und Bluff englische Wörter sind? Kaum jemand. Weil wir sie deutsch aussprechen. Heute sagen wir nicht saale
,
sondern ßäil. Wir wollen eben alles richtig machen. Deshalb bekommen wir aber auch auf Dauer jenen phonetischen und lexikalischen Mischmasch, den wir Denglisch nennen.
     
    Dagegen helfen auch die Eindeutschungsvorschläge des »Ver eins deutsche Sprache« nichts: »Startuhr« für Countdown, »Prall kissen « für
Airbag
, »Glückstopf« für
Jackpot
. Möchte so irgendjemand reden? Und auch eine beleidigte Sprachpolitik in Brüssel kann nur hilflos wirken. Wenn 51   % der E U-Mitglieder englisch sprechen und nur 32   % deutsch, dann ist es schon in Ordnung, wenn Englisch die Arbeitssprache der EU ist. Auch wenn wir die größten Nettozahler sind.
    Nein, Grund haben wir nicht zur Empörung, sondern zum Mitleid: mit den Franzosen. Französisch war mal DIE Weltsprache. Was ist daraus geworden? Nur noch 28   % der Europäer sprechen französisch. Weltweit sind sie abgerutscht auf Platz 11.   Hinter Deutsch! Und nur noch 8   % unserer Fremdwörter holen wir von unseren westlichen Nachbarn. Bonjour Tristesse! Dagegen haben 800 deutsche Wörter es ins Ausland geschafft: Amerikaner besuchen den »kindergarten«, Engländer bestaunen das »wun derkind «, und Finnen machen eine »kaffeepausi«.
     
    Die Wege der Sprache sind wunderbar. Den
Walkman
haben die Japaner erfunden. 80   % der Anglizismen haben lateinische, griechische oder romanische Wurzeln. Und viele sind Internationalismen, wie Karl-Heinz Göttert nachweist: »Den deutschen
Tourismus
gibt es als englischen
tourism,
französischen
tourisme
, spanischen
turismo
, niederländischen
toerisme
, dänischen
turisme
, polnischen
turystiyke
und so weiter.« Eine europäische Sprache – ist das eine Vision? Zumindest könnte die EU so ein paar ihrer 3500   Dolmetscher einsparen.
     
    Bei aller Liebe zu Verschwörungstheorien: Es gibt keinen Sprachimperialismus. Es gibt nur immer mehr Leute, die immer öfter Denglisch talken. Freiwillig! Und sich dadurch als Insider outen. Und die wir oft nicht mehr verstehen. Besser gesagt: verstanden. Denn wir haben diesen ganzen Wust ja übersetzt. Genau, Wust! Das Wort ist übrigens eine Erfindung. Von Joachim Heinrich Campe. Aus dem Jahre 1807.

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    FUTURE-DENGLISCH
    Denglisch, ein Sommermärchen –
EIN PLÄDOYER FÜR MEHR ENTSPANNTHEIT
    Stop! Bzw. stopp (neue Rechtschreibung)! Hört auf zu nörgeln, das ist uncool und turnt ab   … äh, törnt up. Nee, down. Ist das nicht wieder typisch deutsch? Dieser Kulturpessimismus? Dieser Untergang des Abendlandes (von der Unverschämtheit mal abgesehen, dass England ja durchaus zum Abendland dazugehört)? Sind die Hunnen bereits kurz vor Wien, weil einer Comedy statt Klamauk sagt? Ist Goethe vergessen, weil ein paar Jugendliche einen Poetry-Slam veranstalten? Ist es nicht vielmehr hochinteressant, dass gerade die heftigsten Kritiker des Denglischen sich mit Fremdwörtern schmücken, wie ein becrackter Raver auf der Love-Parade. Kurz: Ist Latein besser als Englisch?
     
    Wenn ein Agrarökonom mit dem Traktor seinen Acker bestellt, hat er genauso viele Fremdwörter verwendet wie ein Teenager, der seine Inliner pimpt (ja, auch »acer« ist ein Fremdwort und kommt aus dem Lateinischen). Die meisten wissen gar nicht, wie viel Latein, Griechisch und Französisch in unserer Sprache steckt! Wir sprechen doch nicht mehr wie der Germane Roderick der Reinliche während der Völkerwanderung!
     
    Versuchen Sie mal den Satz »Der Chirurg steht auf dem Balkon, raucht
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