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Columbus war ein Englaender

Columbus war ein Englaender

Titel: Columbus war ein Englaender
Autoren: Stephen Fry
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Geisteswissenschaften zuständig war.
    »Ich möchte mich gerne für die A-Levels in Englisch, Französisch und Kunstgeschichte einschreiben«, sagte ich.
    Er blickte auf mein Anmeldeformular und schüttelte bedauernd den Kopf. In die Spalte »Besondere Auszeichnungen« hatte ich »Prep-School Unterpräfekt und 3. XI-Scorer« eingetragen.
    »Tut mir leid«, sagte er, »aber Englisch und Kunstgeschichte sind komplett belegt. Wenn Sie am ersten Anmeldetag gekommen wären ...«
    Der erste Anmeldetag war der Tag meiner Gerichtsverhandlung gewesen.
    »Hören Sie«, sagte ich mit mehr Dringlichkeit, Konzentration und Nachdruck in meiner Stimme als je zuvor, »wenn Sie mich aufnehmen, werde ich alle drei Kurse mit sehr gut abschließen. Danach mache ich meine S-Levels mit Auszeichnung. Und anschließend werde ich die Aufnahmeprüfung für Cambridge ...«
    »Wir machen hier keine Aufnahmeprüfung für Cambridge ...«
    »Egal«, sagte ich. »Ich gehe in die Bibliothek, leihe mir alte Prüfungsunterlagen aus und besorge mir nötigenfalls einen Aushilfsjob, um einen Ihrer Lehrer zu bezahlen, mich während der Cambridge-Prüfung zu beaufsichtigen. Ich schaffe es ganz bestimmt, am Queens’ College einen Studienplatz für Englisch zu bekommen. Wenn Sie mich nur in die Kurse lassen.«
    Er blickte mich aus seinen blinzelnden blauen Augen an.
    Ich blickte ihn an. Mein ganzes Schicksal lag in den Händen dieses Mannes. Hatte er gut gefrühstückt? Wie dachte er über gescheiterte Public-School-Existenzen, die ein staatliches City College um Hilfe anflehten? Hatte er selbst Kinder? Waren sie schwierig oder brav? War er selbst in Cambridge gewesen, oder verachtete er Oxbridge und alles, wofür es stand?
    Seine blauen, unlesbaren Augen funkelten mich an, unergründlich und gebieterisch wie die einer Siamkatze.
    »Ich muß von allen guten Geistern verlassen sein«, sagte er, während er seine Unterschrift unter mein Anmeldeformular setzte! »Gehen Sie damit ins Sekretariat nebenan. Montag ist Unterrichtsbeginn. Sie sind bei mir im Chaucer-Seminar.«

Aufholen
    Ich saß im Keller von Just John’s Delicatique, Norwichs bekanntester Künstlerkneipe. In welcher geistesumwölkten Nacht das Wort »Delicatique« zustande gekommen war, wußte niemand, und John wollte das Geheimnis nicht lüften, aber seine Kneipe war der Laden in Norwich, in dem über Kunst, Musik und Politik debattiert wurde.
    Ich hatte an diesem Morgen die Anspannung einfach nicht länger ausgehalten, auf den Postboten und Nachricht aus Cambridge zu warten. Wie versprochen, hatte ich meine A-Levels und S-Levels im Sommer, jenem glorreichen Sommer 76, und im darauffolgenden November bestanden und anschließend ganz allein in der riesigen Aula des City College unter den Augen eines Beisitzers meine Aufnahmeprüfung für Cambridge abgelegt. Nachdem ich zwei Wochen lang den Postboten jeden Morgen fast vom Fahrrad gezerrt hatte, hatte ich meiner Mutter gesagt, ich hätte genug.
    »Ich halte das einfach nicht mehr aus. Ich fahre nach Norwich. Wenn Post für mich kommt, mach sie ruhig auf. Ich bin gegen Mittag im Just John’s.«
    Die Post kam in Booton nie vor zehn, während der einzige Bus nach Norwich Punkt zwanzig vor acht unten an der Ecke losfuhr, so daß ich mich zwischen Postbote und Norwich entscheiden mußte.
    Es war ein gutes Gefühl, im Just John’s zu sitzen. Sämtliche alten Bekannten waren versammelt: Jem, mit der unnachahmlichen Eleganz eines Byron und großer Verehrer von Blake und Jim Morrison; Nicky, gefeuerter Rugby-School-Zögling und begnadeter Unterhalter; Greg undJonathan, die beiden schlitzohrigen Brüder, sowie die übrige kleine Gruppe der Stammgäste. Wir hockten zusammen, tranken Kaffee, knabberten Möhrenkuchen und nippten an sündhaft teurem Pilsner Urquell, das wir uns zu mehreren teilten, während wir über Gott und die Welt diskutierten.
    »Du wirkst ganz schön aufgekratzt«, sagte Greg.
    Er wies mich darauf hin, daß ich alle zwanzig Sekunden auf die Uhr schaute und unaufhörlich mit dem rechten Fuß wippte – ein Tick, mit dem mich Hugh Laurie noch heute aufzieht. Früher in Cambridge glaubte er, ich würde es nur machen, um ihn beim Schachspiel zu irritieren (siehe Foto): dabei merke ich es nicht einmal. Umgekehrt brachte Hugh mich aus der Fassung, indem er mir eine Abfuhr nach der anderen erteilte, was noch weitaus unsportlicher war.
    »Ach, nichts weiter«, sagte ich. »Aber vielleicht ... ach wo. Es ist zehn nach eins. Wenn ich tatsächlich
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