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Cold Fury: Roman (Heyne fliegt) (German Edition)

Cold Fury: Roman (Heyne fliegt) (German Edition)

Titel: Cold Fury: Roman (Heyne fliegt) (German Edition)
Autoren: T. M. Goeglein
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Naturell und der Art, wie ich erzogen wurde, was so ziemlich aufs Gleiche herauskommt.
    Das ist heute anders.
    Jetzt schlage ich erst zu und stelle dann die Fragen. Und wenn die Situation sich umkehrt und ich diejenige bin, die Prügel bezieht, dann suche ich mir ein Versteck oder eine Möglichkeit zur Flucht. Es gibt vieles, wofür ich Onkel Buddy dankbar bin, aber das Letzte, was er mir je beibrachte, war vermutlich die wichtigste Lektion. Dass ich nämlich, wenn ich am Leben bleiben will, nur mir selbst vertrauen kann.
    Jede Form von Verrat ist Gift.
    Sei es, dass man im Boxring als Frischfleisch missbraucht wird oder dass sich jemand nicht an die Regeln des Anstands hält, die bei einer alltäglichen Begegnung auf der Straße eigentlich gelten: Aus solchen Vorfällen entsteht eine dicke Schutzschicht, die sich über die Seele eines Menschen legt. Dass jemand meine geheimsten Ängste und Selbstzweifel als Waffe gegen mich einsetzte, so wie Onkel Buddy, verletzte alle geltenden Regeln so gründlich, dass es tiefen, reinen Hass in mir weckte. Daraus ist ein flammendes Verlangen nach Rache erwachsen, das stärker ist als jedes dumme Gefühl von Zuneigung, das ich vielleicht noch für ihn empfinden könnte.
    Diese Flamme ist nun in mir entzündet, und sie brennt blau und kalt.

3
    Es war von Anfang an klar, mit wem ich reden wollte, als ich in der siebten Klasse die erdbebenartige Erfahrung meines ersten richtigen Kusses gemacht hatte.
    Eine Erfahrung, die gleichzeitig aufregend, traumatisch und total seltsam war.
    Ich wusste, dass mir Onkel Buddys ungeteilte Aufmerksamkeit sicher sein würde.
    Den besagten Meilenstein-Kuss gab mir Walter J. Thurber, der für seinen supercoolen Skater-Look und seine Schüttelfrisur bekannt war. Eigentlich hätte mir klar sein sollen, dass ein Typ, der sich so anzog, aber nie wirklich auf einem Skateboard stand, irgendwelche Probleme haben musste. Aber andererseits waren wir dreizehn, und er war der beliebteste Junge der ganzen Klasse, ich hingegen eine Außenseiterin. Schon damals war etwas in mir, das mich nicht zu den Cliquen trieb, die sich meine Klassenkameraden suchten. Wenn ich mehr aus mir herausgegangen wäre, hätte ich vielleicht einen ebenso großen Freundeskreis gehabt wie alle anderen. Aber mir fehlte dieses überwältigende Bedürfnis, dazuzugehören und gemocht zu werden, das die meisten anderen Kids empfanden. Ich war damit zufrieden, in der letzten Reihe zu stehen und die Welt zu mir kommen zu lassen. Wenn das geschah, wunderbar, und wenn nicht, dann war das auch in Ordnung.
    Später, als ich kapierte, wer meine Familie eigentlich war und was diese kalte blaue Flamme in meinem Bauch wirklich bedeutete, verstand ich allmählich auch, warum ich so anders war.
    Meine Eltern waren in dieser Situation keine große Hilfe.
    Sie waren so überbehütend, dass ich manchmal das Gefühl bekam, aus Glas zu sein.
    Außerdem waren sie so auf die Familie fixiert, dass es schon als Zeitverschwendung betrachtet wurde, mit dem Nachbarn am Gartenzaun ein Schwätzchen zu halten.
    Wir verbrachten jeden Feiertag mit meinen Großeltern und Onkel Buddy … und alle Nicht-Feiertage, alle Wochenenden und die meisten Abende unter der Woche auch. Dabei war ich schon gern mit meiner Familie zusammen, weil sie lustiger und klüger und interessanter war als die meisten anderen, die ich kannte. Es stimmt, wenn ich von den Eltern meiner Klassenkameraden erzählte – zum Beispiel, was einer der Väter beruflich machte –, dann zeigten meine Eltern wenig Interesse, sie fragten sich vielmehr laut, warum ich mich um die persönlichen Angelegenheiten anderer Leute kümmerte. Aber sie waren nicht ablehnend oder unhöflich. Sie waren einfach nur sie selbst, sehr zurückgezogen, und sie erzogen Lou und mich auf die gleiche Weise. Mein Vater legte allerdings viel Wert darauf, dass wir nicht über das sprachen, was er beruflich machte, was ich nie so richtig verstand, da er und Grandpa Enzo Bäcker waren und es über Kekse, Kuchen und Pasteten nicht viel Aufregendes zu erzählen gab. Aber mein Dad zuckte nur die Achseln und sagte: »Man weiß nie, was für andere Leute eine Rolle spielt.« Das führte dazu, dass ich den größten Teil der Zeit außerhalb der Schule fast ausschließlich mit meiner Familie verbrachte.
    Dementsprechend war ein Kuss von Walter J. Thurber alles andere als eine Kleinigkeit.
    Es geschah auf der Party zu Ginas dreizehntem Geburtstag.
    Gina war damals immer noch meine beste Freundin,
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