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Coelho,Paul

Coelho,Paul

Titel: Coelho,Paul
Autoren: Schutzengel
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gelaunt. Sie
würde sich nicht darum kümmern. Sie war müde.
    Sie gingen noch ein wenig weiter,
aber sie wurden immer müder. Sie wollte nichts mehr sagen, ihn nicht noch mehr
verärgern.
    >So ein Trottel!<, dachte
sie. >Inmitten all dieser Schönheit schlecht gelaunt sein, und das, nachdem
wir über so interessante Dinge gesprochen haben wie ...<
    Sie konnte sich nicht mehr daran
erinnern, aber es war auch nicht wichtig. Jetzt war sie auch zu träge zum
Denken.
    Paulo blieb stehen und stellte die
Tasche auf die Erde.
    »Lass uns ein bisschen ausruhen!«,
sagte er.
    Er wirkte nicht mehr schlecht
gelaunt. Auch er schien immer müder zu werden. Genau wie sie.
    Es gab nirgendwo Schatten. Aber
auch Chris musste sich ausruhen.
    Sie setzten sich auf die heiße
Erde. Dass sie nackt waren, dass der Sand ihnen die Haut verbrannte, war ihnen
egal. Sie mussten ein wenig rasten. Nur ein bisschen.
    Jetzt konnte sie sich wieder an
das erinnern, worüber sie sich unterhalten hatten: Horizonte. Sie bemerkte,
dass sie jetzt, ob sie wollte oder nicht, das Gefühl hatte, ihre Seele sei
gewachsen. Außerdem hatte das >zweite Bewusstsein< ganz aufgehört zu
arbeiten. Sie dachte weder an den Song noch an andere, sich ständig
wiederholende Dinge, sie dachte nicht einmal daran, dass jemand sie beobachten
könnte, während sie nackt durch die Wüste wanderten.
    Alles verlor an Bedeutung: Sie
fühlte sich entspannt, sorglos, frei.
    Sie schwiegen minutenlang. Es war
heiß, aber die Hitze störte sie nicht. Und wenn doch, hatten sie ja noch genug
Wasser in den Flaschen.
    Paulo stand als Erster auf.
    »Ich glaube, wir sollten etwas
weitergehen. Es ist nicht mehr weit bis zum Wagen. Dort ruhen wir uns dann bei
laufender Klimaanlage aus.«
    Sie war müde. Sie wollte ein
bisschen schlafen. Dennoch stand sie auf.
    Sie gingen wieder ein Stück. Der
Wagen war jetzt schon ziemlich nah. Nicht mehr als zehn Gehminuten entfernt.
    »Wenn wir schon so nah sind, warum
schlafen wir dann nicht ein bisschen? Nur fünf Minuten.«
    Fünf Minuten schlafen? Warum sagte
er das? Hatte er ihre Gedanken erraten? Und war er auch müde?
    Was war schon schlimm daran, fünf
Minuten zu schlafen? Sie würden braun werden, dachte sie. Als wären sie am
Strand.
    Sie setzten sich wieder hin. Sie
waren, die Pausen nicht mitgezählt, mehr als eine Stunde gegangen. Was waren dagegen
fünf Minuten schlafen?
    Sie hörten das Motorengeräusch
eines Wagens. Eine halbe Stunde früher wären sie dabei noch aufgeschreckt und
hätten sich blitzschnell angezogen.
    Aber jetzt war ihnen das
vollkommen egal. Wer gucken wollte, sollte es tun. Sie brauchten sich vor
niemandem zu rechtfertigen.
    Chris wollte nur noch schlafen.
    Sie sahen einen Lastwagen auf der
Straße auftauchen, an ihrem Wagen vorbeifahren und ein Stück weiter anhalten.
Ein Mann stieg aus und ging zu ihrem Auto. Schaute hinein, ging darum herum,
schaute sich alles genau an.
    >Das könnte ein Dieb sein<,
dachte Paulo. Er stellte sich vor, wie der Kerl den Wagen stahl und sie beide
in der unendlichen Weite zurückließ, ohne eine Möglichkeit, wieder nach Borrego Springs zurückzukehren. Paulo hatte den Schlüssel
im Zündschloss stecken lassen, aus Angst, ihn in der Wüste zu verlieren.
    Aber sie waren im Landesinneren
der Vereinigten Staaten. In New York, vielleicht - aber hier musste man keine
Angst haben, dass einem das Auto geklaut wurde.
    Chris betrachtete die Wüste. Wie
golden alles war! Ganz anders als abends, wenn die Sonne die Wüste in ein
rosiges Licht tauchte. Ein wohliges Gefühl der Ruhe durchströmte ihren Körper.
Die Sonne störte überhaupt nicht - die Leute hatten ja keine Ahnung, wie schön
tagsüber die Wüste sein konnte!
    Der Mann hatte aufgehört, den
Wagen zu inspizieren, und legte die Hand über die Augen. Er hielt nach ihnen
Ausschau.
    Sie war nackt... das würde er am
Ende sehen. Aber was machte das schon? Paulo schien es auch nicht besonders aufzuregen.
    Der Mann kam jetzt in ihre
Richtung. Das Gefühl von Leichtigkeit und Euphorie wurde immer größer, obwohl
die Mattigkeit dazu führte, dass sie sich nicht von der Stelle rührten. Die
Wüste war golden und schön. Und alles war ruhig, friedlich - die Engel, ja, die
Engel würden sich bald zeigen! Deshalb waren sie in die Wüste gegangen - um mit
den Engeln zu reden.
    Chris war nackt, schämte sich aber
nicht. Sie war ein freier Mensch.
    Der Mann blieb vor ihnen stehen.
Er sprach eine Sprache, die sie nicht verstanden.
    Endlich merkte Paulo,
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