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Codex Regius - Indriðason, A: Codex Regius - Konungsbók

Codex Regius - Indriðason, A: Codex Regius - Konungsbók

Titel: Codex Regius - Indriðason, A: Codex Regius - Konungsbók
Autoren: Arnaldur Indriðason
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bis zum Abitur brauchte ich nur drei, und ich war der beste Schüler auf dem sprachlichen Zweig; Latein wurde so etwas wie meine zweite Muttersprache. Ich immatrikulierte mich im folgenden Herbst an der Universität am Institut für isländische Philologie und lernte dort Dr. Sigursveinnkennen, mit dem mich schon bald aufgrund des gemeinsamen Interesses für unser isländisches Kulturerbe so etwas wie Freundschaft verband. Viele Stunden verbrachte ich bei ihm zu Hause mit intensiven Diskussionen über unser beider Lieblingsthema, die alten Handschriften. Meine Tante wollte unbedingt, dass ich in Kopenhagen weiterstudierte, und wir beschlossen im Grunde genommen gemeinsam, dass ich ins Ausland gehen sollte. Dr. Sigursveinn unterstützte das voll und ganz und ließ mich wissen, dass ich seiner Meinung nach früher oder später einen Lehrstuhl an der isländischen Universität erhalten würde. Am Tag meiner Abreise überreichte er mir das Empfehlungsschreiben. Er las es mir vor, bevor er den Umschlag verschloss, und erklärte, dass nichts als die lautere Wahrheit darin stünde, und mich durchströmten dankbare und ergebene Gefühle.
    Eine Flugreise hätte ich mir nicht leisten können, aber ich bekam eine billige Passage mit einem unserer Frachtschiffe, das nach Kopenhagen fuhr. Dort traf ich Anfang September an einem schönen, sonnigen Morgen ein. Die Reise war sehr angenehm verlaufen, vor allem, nachdem mir etwas klar geworden war, wovon ich bis dato nichts gewusst hatte, nämlich dass ich überhaupt nicht unter Seekrankheit litt. Die Überfahrt war zudem ziemlich ruhig, wurde mir gesagt, und dieses leichte Schlingern in Kombination mit dieser Mischung aus Meeresluft und dem Geruch aus dem Maschinenraum bekam mir gut und bewirkte, dass ich jede einzelne Minute genoss.
    Mit an Bord war ein junger Mann, der auf mich einen guten Eindruck machte. Er hatte vor, in Kopenhagen Ingenieurwissenschaften zu studieren. Sein Name war Óskar, er stammte aus Nordisland, und wir lernten uns im Laufe der Seereise ziemlich gut kennen. Wir teilten uns eine Kabine, und wenn wir abends im Bett lagen, unterhieltenwir uns noch eine Weile. Ich erzählte ihm von meinem bisherigen Studium am Institut für isländische Philologie, und er schilderte mir die komischen Käuze aus seinem Dorf. Er war ein amüsanter Reisebegleiter, nahm das Leben nicht allzu ernst und hatte Sinn für Humor. Allerdings sprach er für sein Alter dem Alkohol etwas reichlich zu; er fand schnell heraus, wie man auf diesem Schiff an dänisches Bier herankommen konnte, und führte sich dies dann auch abends ausgiebig zu Gemüte. Andere Passagiere waren nicht an Bord.
    »Und was ist mit dir?«, fragte er eines Abends mit einer Flasche Carlsberg Hof in der Hand, »willst du wirklich für den Rest deines Lebens in alten Handschriften herumschnüffeln?«
    »Falls sich die Möglichkeit bietet, ja«, entgegnete ich.
    »Was ist so interessant daran?«
    »Was ist interessant daran, Ingenieur zu sein?«, fragte ich zurück.
    »Die Kraftwerke, Mensch«, antwortete er. »Wir werden riesengroße Staudämme im Hochland bauen, um unsere Stromversorgung zu sichern, und zwar nicht nur für die Privathaushalte, sondern auch für die Schwerindustrie. Da werden grandiose Fabriken entstehen. Hast du nicht von den Möglichkeiten gehört, die die Aluminiumherstellung bietet?«
    Ich schüttelte den Kopf.
    »Wir verfügen über die billigste Energiequelle der Welt. Wir bauen Staudämme im Hochland und lassen Stauseen entstehen, und damit erzeugen wir Strom für die Fabriken, die überall aus dem Boden schießen werden. Elektrizität macht uns reich. Einar Benediktsson hat das ganz genau erkannt.«
    »Willst du überall auf dem Land Fabriken errichten?«
    »Was sonst? Das ist die Zukunft.«
    »Und wer wird diese Fabriken besitzen?«
    »Das weiß ich nicht, wahrscheinlich die Amerikaner. Die sind die Größten in Sachen Aluminium. Es spielt aber auch gar keine Rolle. Wir bauen die Staudämme und verkaufen ihnen den Strom. Meinethalben können sie sich daran dumm und dusselig verdienen.«
    »Aber wird nicht mit all diesen Staudämmen das Hochland zerstört?«
    »Das Hochland? Was meinst du damit? Wen interessiert schon das Hochland? Und was gibt‘s da überhaupt zu zerstören? Da ist doch nichts außer Steinen und Geröll.«
    »Weideland für die Schafe.«
    »Wer interessiert sich schon für Schafe?«
    »Ich kümmere mich mehr um die Vergangenheit«, gab ich zu.
    »Darin bist du bestimmt gut«,
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