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Codex Regius - Indriðason, A: Codex Regius - Konungsbók

Codex Regius - Indriðason, A: Codex Regius - Konungsbók

Titel: Codex Regius - Indriðason, A: Codex Regius - Konungsbók
Autoren: Arnaldur Indriðason
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unterhalb eines Hangs. Der Gast erinnerte den Bauern daran, dass Hallsteinsstaðir früher ein Hof im Besitz der Kirche gewesen war. Ach ja, doch, natürlich erinnerte er sich an die Geschichte von der kleinen Kirche. Die war schon ziemlich baufällig gewesen, und dann brannte sie eines Tages nieder. Es hieß, dass das Feuer wegen einer Unachtsamkeit ausgebrochen war. Damals waren aber schon lange keine Gottesdienste mehr dort abgehalten worden, höchstens einmal im Jahr gab es einen, falls der versoffene Pfaffe in Melstaður sich dazu aufraffen konnte.In dieser Art redete der Bauer über dieses und jenes, jetzt, da er ja – was sonst selten der Fall war – einen Gast hatte. Manchmal kam den ganzen Winter über niemand. Der Ankömmling selbst war überaus wortkarg, was sein Vorhaben auf dem Friedhof und die Abmessungen betraf. Aus der Gegend stammte er angeblich nicht und hatte auch keine Verwandten in diesem Bezirk. Geboren in Island, sagte er, Jurastudium in Kopenhagen. Er hatte jahrelang dort und auch in Deutschland gelebt. Man hörte es an seiner Sprache. Er hatte einen seltsamen Tonfall, der ihn in den Augen des Bauern manchmal ein bisschen affektiert wirken ließ.
    Der Mann hatte zwei große Reisekoffer dabei, in denen sich schön eingebundene Bücher und Kleidung befanden, außerdem Branntwein, Kaffee – und Tabak, den er dem Bauern schenkte. Er hatte noch anderen Proviant dabei, den er mit dem Bauern teilte, getrockneten Fisch, geräuchertes Lammfleisch und Aufstrich. Von den Büchern schien ihm am meisten eine Art Tagebuch am Herzen zu liegen, in das er sich immer wieder vertiefte. Dabei murmelte er leise vor sich hin, ohne dass der Bauer etwas verstehen konnte. Anschließend begab er sich meist auf den Friedhof. Der zutrauliche Hund des Bauern mit dem geringelten Schwanz gewöhnte sich an den Gast, der ihm hin und wieder ein Stück geräuchertes Lammfleisch oder Fischhaut zuwarf und ihn streichelte.
    Manchmal hatte der Bauer Mühe, ein Gespräch mit dem Reisenden anzuknüpfen. Er spürte, dass dieser Mann nicht zum Zeitvertreib nach Hallsteinsstaðir gekommen war.
    »Reden sie immer noch über den Blitz?«, fragte der Bauer. »Davon weiß ich nichts …«
    »Drei Menschen wurden vom Blitz erschlagen«, sagte der Bauer. »Das war auf der Halbinsel Reykjanes, wie ich gehört habe. Ein Jahr ist das jetzt her.«
    »Ich weiß nichts über einen Blitz«, entgegnete der Mann. »Ich bin erst im Mai mit dem Schiff nach Island gekommen.«
    So vergingen drei Tage. Zum Schluss hatte es den Anschein, als sei der Gast zu einem Ergebnis gekommen. Tief in Gedanken versunken stand er bei einem dieser Grabhügel unter dem Hang und blickte auf, als der Bauer sich ihm näherte. Es wurde schon dunkel. Der Wind war stärker geworden, und es hatte angefangen zu regnen. Er beobachtete die Wolken. Wahrscheinlich würde es in der Nacht ein schlimmes Unwetter geben, der Himmel im Westen sah ganz danach aus.
    Der Bauer hatte sich zu dem Gast auf dem Friedhof begeben, um mit ihm über das heraufziehende Unwetter zu sprechen. Er wusste nur zu genau, was zu erwarten war, wenn um diese Jahreszeit der Wind auf West drehte. Aber bevor er dies zur Sprache bringen konnte, hatte der Mann schon ein Anliegen vorgebracht, auf das sich der Bauer keinen Reim machen konnte.
    »Könntest du hier für mich graben?«, fragte der Gast und deutete auf den Grashügel.
    »Wieso das denn?«, fragte der Bauer, und seine Augen wanderten von dem Mann zu der niedrigen Erhebung.
    »Ich muss hier graben«, sagte der Mann. »Ich bezahle dafür. Zwei Reichstaler dürften genug sein.«
    »Wollen Sie das Grab hier ausheben?«, fragte der Bauer mit weit aufgerissenen Augen. Noch nie hatte er etwas dergleichen gehört. »Warum, wenn ich mir die Frage erlauben darf?«
    »Es geht um Altertümer«, erklärte der Mann, zog zwei Reichstaler aus seiner Tasche hervor und reichte sie dem Mann. »Das ist mehr als ausreichend.«
    Der Bauer starrte auf das Geld in seiner Hand. Es war lange her, seit er solche Münzen aus der Nähe gesehen hatte. Erbrauchte eine ganze Weile, bis er im Kopf nachgerechnet hatte, dass die Bezahlung für diese Gefälligkeit dem Monatslohn eines guten Knechts entsprach.
    »Altertümer?«, fragte der Bauer.
    »Ich kann es auch selbst erledigen«, sagte der Mann und streckte seine Hand nach dem Geld aus.
    »Sie brauchen aber meine Genehmigung, wenn Sie hier auf meinem Land graben wollen«, sagte der Bauer beleidigt und hielt die Taler fest
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