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Codex Regius - Indriðason, A: Codex Regius - Konungsbók

Codex Regius - Indriðason, A: Codex Regius - Konungsbók

Titel: Codex Regius - Indriðason, A: Codex Regius - Konungsbók
Autoren: Arnaldur Indriðason
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dergleichen zu lesen. Mein bisheriges Leben war ausgesprochen ruhig und friedlich verlaufen – bevor ich dem Professor begegnete. Entsprechend sah ich damals einer beschaulichen Zeit innerhalb von Bibliothekswänden entgegen. Man könnte sogar sagen, dass ich eine Art Geborgenheit zwischen all dem Alten und Vergangenen suchte. Ich machte mir Hoffnungen, dass es mir mit der Zeit gelingen würde, meinen Teil dazu beizutragen, die Kenntnis und das Wissen über unser kostbares nationales Erbe zu mehren. Das war mein zugegebenermaßen etwas romantisches Lebensziel. Seit jeher hatte ich eine Vorliebe dafür, in alten Büchern herumzustöbern, und nahm mir bereits in jungen Jahren vor, mein Leben in den Dienst der Forschung an mittelalterlichen isländischen Handschriften und ihrer Erhaltung zu stellen.
    Aber sehr bald nachdem ich den Professor in Kopenhagen kennengelernt hatte, nahm vieles einen so ganz anderen Lauf als geplant. Meine Vorstellungen von der Welt änderten sich ebenso wie mein Selbstwertgefühl. Der Professorsorgte dafür, dass sich mein Weltbild rapider und gründlicher erweiterte, als ich es mir jemals hätte träumen lassen. Er stellte mein Leben auf den Kopf. Von ihm habe ich gelernt, dass nichts unmöglich ist.
    Das alles brach unvermittelt über einen naiven jungen Mann von der Insel im hohen Norden herein. Im Nachhinein kommt es mir jedoch so vor, als hätte ich es auch gar nicht anders haben wollen.
    In meinem Reisegepäck befand sich ein Empfehlungsschreiben eines Mentors von der Universität Islands. Dieser freundliche und überaus beschlagene Mann war drei Jahre lang mein Lehrer gewesen. Er hatte mich in die faszinierende Welt der Nordistik eingeführt, und man kann sagen, dass seine Ermutigung einer der Gründe für meinen Entschluss gewesen war, mich voll und ganz der Erforschung der isländischen Mittelalterliteratur zu widmen. Dr. Sigursveinn hatte einen sehr liebenswürdigen Empfehlungsbrief an den Professor in Kopenhagen geschrieben, den er persönlich kannte. Dieses Schreiben hütete ich auf der Überfahrt nach Dänemark wie meinen Augapfel. Ich kannte den Inhalt: Darin hieß es von mir, ich sei ein außerordentlich befähigter Student, der das Studium mit den besten Noten des Jahrgangs absolviert hatte und das Zeug dazu hatte zu promovieren. Ich war sehr stolz darauf und freute mich, es dem Professor in Kopenhagen aushändigen zu können. Ich fand, dass ich das Lob verdient hatte. In meiner Abschlussarbeit über die Eyrbyggja saga hatte ich neue Theorien über die Verbindung zwischen den einzelnen Fassungen der Saga aufgestellt, über die Datierung und den mutmaßlichen Autor. Ich konnte gute Gründe dafür anführen, dass kein Geringerer als Sturla Þórðarson der Verfasser war.
    In meiner Jugend bin ich wahrscheinlich das gewesen, was man einen Bücherwurm nennt. Das Wort hat mir zwarnie gefallen, aber es fällt mir kein besseres ein, das mich als jungen Menschen beschreiben könnte. Zu Hause bei meiner liebenswerten Tante war ich ständig in irgendeine Lektüre vertieft; ich hatte nur wenige Freunde und verstand mich nicht auf die komplizierte Kunst, Freundschaften zu schließen. Doch für Bücher und Lesen interessierte ich mich seit meiner frühesten Kindheit. Das wurde von meiner Tante, Gott hab sie selig, sehr unterstützt, indem sie alle möglichen wichtigen Werke der Weltliteratur für mich beschaffte. Sie war es auch, die mich mit den isländischen Sagas vertraut machte, was dazu führte, dass ich eine ganz besondere Vorliebe entwickelte für diese großartigen Erzählungen von Helden, von Rache, Liebe, Ruhm und Ehre, von untadeligen Männern und bedeutenden Frauen, von hochspannenden Kämpfen und so heldenhaftem Sterben, dass mir beim Lesen die Tränen kamen.
    Ich wuchs die meiste Zeit bei der Schwester meiner Mutter auf, die ich entweder Systa nannte, genau wie meine Mutter, oder einfach Tante, was ich eigentlich viel lieber mochte und sie auch. Sie war unverheiratet und kinderlos und war mir wie eine Mutter. Manchmal machte sie sich Sorgen darüber, dass ich so viel daheimsaß und diese großartigen Sagas von alten Helden verschlang, während sich die gleichaltrigen Kinder in den Westfjorden draußen trafen, mit Holzschwertern fochten oder Fußball oder Verstecken spielten. Später, als die Jungen in meinem Alter sich für Mädchen und Alkohol zu interessieren begannen, hatte ich bereits angefangen, alte Handschriften zu entziffern. Statt der üblichen vier Jahre Gymnasium
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